Photoshop vs. Fotografie

Die Frage, wie ich meine Bilder bearbeite, damit sie so kontraststark werden, wird mir relativ häufig gestellt. Ohne intensiven Photoshop-Einsatz sei das nicht zu machen, geben einige der Fragesteller sich ihre Antwort gleich selbst. Das ist der Moment, an dem ich je nach Laune und Gegenüber schweige oder zu einer längeren Erklärung ansetze.

Okay, ich werde hier mein Geheimnis lüften. Nicht, dass es eines wäre, aber jeder Fotograf hat seinen Stil und seine Herangehensweise. Ich bin selbst immer daran interessiert zu erfahren, wie meine Kollegen ihre Bilder bearbeiten. Betrachten wir zuerst zwei zufällig ausgewählte Beispiele und gehen dann meine Methode Schritt für Schritt durch.

Alles muss passen – oder passend gemacht werden

Zunächst gilt es, so banal es klingt, zur passenden Zeit am richtigen Ort zu sein. In diesem Fall war das morgens um 9 Uhr im letzten Mai (links) und am frühen Nachmittag im Februar des vorletzten Jahres (rechts). Die Locations liegen in einem Waldstück, das ich von Zuhause aus fußläufig erreichen kann und an einem Waldrand im Ostallgäu.

Die Jahreszeit ist relevant, denn sie offenbart die Details, auf die ich scharf bin und die ab Frühjahr und bis weit in den Herbst hinein unter dem Laub verborgen sind. Sie ist aber auch wichtig, weil die Sonne im Winterhalbjahr nicht weit über den Horizont steigt. Das bedeutet weiches, warmes Licht, oft aber auch Schlaglicht von der Seite. Wind sollte möglichst keiner wehen, denn der würde zu Bewegungsunschärfen führen, die die Aufnahme ruinieren. Regen und Schneefall können nerven, aber auch zum Motiv passen und erwünscht sein. Also gehört auch das Wetter zu den Faktoren, die berücksichtigt müssen.

Der Ort, an dem potenzielle Motive zu finden sein könnten, muss natürlich gut bekannt sein beziehungsweise vorher recherchiert werden. Herumzustreunen und auf den Zufall zu warten, bringt hin und wieder überraschende Erfolge, doch kostet dieses Vorgehen viel Zeit. Planung ist nicht zu vernachlässigen, wenn das Ziel nicht der Weg, sondern ein gutes Foto sein soll. Aus diesem Grund bin ich hin und wieder zwar als Fotografin – also sehr konzentriert und mit offenen Augen für mögliche Shots – in den Wäldern unterwegs, habe jedoch bewusst keine Kamera dabei.

Mein iPhone hilft mir dann, mir zu merken, wohin ich wann zum Fotografieren zurückkehren sollte. Zu den Apps, die ich nutze, schreibe ich demnächst einen ausführlicheren Beitrag. Hin und wieder springt auch schöne iPhoneography bei meinen „Streunereien“ heraus.

Naturfotografen sind wahre ZEN-Meister

Zurück zu Zeit und Ort, Wetter und – genau: Geduld. Ohne die geht gar nichts. Die Fotos oben entstanden nicht als Schnappschüsse, sondern brauchten Zeit. Ich war da, die Jahreszeit passte, die Tageszeit war gut gewählt, nun musste „nur noch“ das Licht genau so fallen, wie ich es brauchte. Der Schachtelhalm mitten im Wald benötigte diesen einen Lichtstrahl, der durch die eng stehenden Fichten hindurch genau in diesem Winkel auf die Pflanze fiel. Ich lag, wie so oft, im Dreck und wartete.

Tipp: Während den Spruch „Vordergrund macht Bild gesund“ jeder schon einmal gehört zu haben scheint, werden Hintergründe viel zu oft vernachlässigt. Ohne deren sorgfältige Auswahl würde kaum eines meiner Fotos gelingen.

99 Prozent aller geplanten Aufnahmen entstehen nicht, weil das Licht nicht mitspielt, weil Wind Äste und Halme bewegt, weil sich eine Wolke vor die Sonne schiebt, weil … was auch immer. Dieses eine Foto gelang. Auch das der Lärche wurde etwas; auch dieses alles andere als zufällig. Ich wusste genau, wann das Licht wie fallen wird, dass es leicht abgedämpft sein wird und dass ich nicht mehr als ein, zwei Minuten Zeit haben werde, um das Bild zu machen. Dass ich davor drei Stunden herumgeschlichen bin, die perfekte Perspektive gesucht und den Hintergrund gecheckt habe, sieht man dem Foto ebensowenig an, wie dass mich einige Spaziergänger für bekloppt erklärten. Das passiert mir öfter.

„Sag mir mal die Einstellungen!“

Die Kameraeinstellungen für diese beiden Bilder wollen Sie wissen? Ehrlich, die sind im Grunde völlig egal, denn niemand kann die Fotos wiederholen, auch ich nicht. Wozu also werden immer wieder die EXIF abgefragt? Man kann daraus keinerlei Informationen oder gar Erkenntnisse ziehen. Ein paar Richtwerte kann ich allerdings nennen, die Ihnen womöglich weiterhelfen könnten.

Ich fotografiere mit einer Vollformatkamera und ausschließlich in RAW. Ich nutze fast immer ein langes, relativ lichtstarkes Teleobjektiv bei 300-400 Millimetern, um mein Motiv freistellen und den Hintergrund ausblenden oder verschwimmen lassen zu können. In der Regel bedeutet das bei dieser Brennweite Blende 8 oder 11, um genug, aber nicht zu viel Tiefenschärfe zu erhalten.

ISO bleibt möglichst bei 200, die Zeit lasse ich von der Kamera anpassen. Nicht immer, doch häufig nutze ich ein Stativ, um den Bildstabilisator zu entlasten. Der kann nämlich viel, aber nicht alles. Ich belichte auf den hellsten Teil und lasse die Belichtungskorrektur mindestens eine, oft sogar zwei Blenden unterbelichten. Fokussiert wird mit dem Backbutton, niemals mit dem Auslöser. Manuell fokussiere ich nur mit manuellen Objektiven oder wenn es notwendig ist.

Und wann kommt endlich Photoshop zum Einsatz?

Jetzt! Ich importiere die Fotos, kontrolliere bei jedem einzelnen die Schärfe und den Ausschnitt. Ist das Motiv nicht absolut scharf bis in die Bereiche, die ich scharf möchte, fliegt das Foto in den Papierkorb. Ebensowenig versuche ich falsche Perspektiven oder Ausschnitte zu korrigieren. Was fotografisch schief gelaufen ist, ist für mich nicht zu retten. Ich bin Fotografin, keine Pixelschubse. Ich bewundere Pixelschubser, die erstaunliche Composings erstellen können, aber ich bin es nicht. Schiefe Horizonte und Objektiverzerrungen können – müssen! – behoben werden. Auch der beim Fotografieren gewählte Ausschnitt kann zum „Arschbeißer“ werden.

Tipp: Immer großzügig genug fotografieren, um sich die Möglichkeit zu erhalten, über das Format erst bei der Bearbeitung zu entscheiden!

Nun habe ich meine Fotos gefunden, die ich behalten möchte. Alle eint, dass sie stets deutlich unterbelichtet sind. (Ausnahmen bestätigen die Regel, dazu unten mehr.) Das hat den Grund, dass sich in den Tiefen selbst in vermeintlich tiefschwarzen Bereichen in aller Regel noch Details befinden. Ist ein Licht jedoch ausgebrannt, ist da nichts mehr. Es ist und bleibt ein weißer Fleck. Tote Pixel. Ruhe sanft.

Im ersten Schritt der Bildbearbeitung wird das RAW, das ein digitales Negativ darstellt wie früher ein belichteter Film, in Photoshop oder einem anderen Tool geöffnet. Niemals wird ein Foto von mir von einem Programm vorentwickelt, mit einem Preset versehen oder ähnlichen Automatismen unterzogen. Ich mache alles selbst, bei jedem einzelnen Bild.

Tipp: Presets (in Photoshop Actions genannt) werden unter anderem von Hochzeitsfotografen geschätzt, denn damit lässt sich die Bearbeitung hunderter Fotos von vielen Stunden auf wenige Minuten reduzieren. Zeit ist Geld! Jedoch wird kein Fotograf ein Preset nutzen, ohne es anzupassen. Es dient ausschließlich als Basis für die weitere Bearbeitung oder als Finish für einen speziellen Look. Presets kann man kostenlos bekommen oder kaufen.

Bei den obigen Fotos waren die Bereiche ohne das Licht ohnehin sehr dunkel. Um das zu verstärken, habe ich die Tiefen und das Schwarz bis an den Anschlag gezogen. Ergänzend kam eine Vignette in Form einer Radialmaske mit 100 Prozent Abdunklung zum Einsatz. Damit sind alle Randbereiche garantiert pechschwarz. Waren noch Artefakte zu sehen, habe ich sie entfernt.

Die hellen Bereiche wurden vorsichtiger behandelt, sie sollten klar und leuchtend bleiben, nicht aber ausbrennen. Das erreiche ich über „Lichter“ und „Weiß“, kombiniert mit der <Alt>-Taste. Bei diesen Bereichen, meinen eigentlichen Motiven also, bin ich sehr pingelig. Dann habe ich geschärft, was ich niemals pauschal über alle Pixel, sondern zielgerichtet an den Motiv- und Lichtkanten tue. Auch bei der Detailschärfe nehme ich es genau, denn ausgefranste Kontraste oder gar Halos mag ich nicht. Überschärfung ist aber auch unschön. Unter Umständen arbeite ich danach die Farben etwas heraus, das ist jedoch selten, da meine Kamera bei der Farbgestaltung sehr genau arbeitet. Etwas Dynamik bei Bedarf, mehr braucht’s nicht. Fertig. Ich berühre niemals den Kontrast-Regler, ebensowenig wie den für die Sättigung.

Helle Fotos funktionieren wie dunkle, nur andersherum

Oben sehen Sie ein Foto einer Eiche im Schneesturm. Der Whiteout war ebenso kurz wie spektakulär – und ich war vor Ort! Nicht zufällig, aber das dachten Sie sich sicher schon. Hier habe ich nicht deutlich unterbelichtet, sondern mittels Belichtungskorrektur zwei Blenden überbelichtet. Das ist notwendig, weil die Kamera durch das strahlende Weiß verwirrt wird und kräftig nachdunkeln möchte. Im Hintergrund kann man den Wald erkennen, der normalerweise deutlich sichtbar ist. Wirkung erzielt das Ganze ausschließlich dadurch, dass der Schneesturm die Eiche freistellt, den Hintergrund also fast auslöscht. Dass trotz der Helligkeit keine Bereiche ausgebrannt sind, spricht für meine gute Kamera.

Dieses Bild können Sie sich bei der Bearbeitung als fast gegensätzlich zu den beiden dunklen vorstellen. Hier wurde das Weiß deutlich verstärkt, denn die Kamera erkannte es als graublau. Das ist ihr nicht anzulasten – sie weiß es nicht besser. Es ist die Aufgabe des Fotografen, aus dem, was er wahrgenommen hat, ein Bild zu machen, das das Erlebte abzubilden in der Lage ist. Die dunklen Anteile des Bildes, womöglich wider Erwarten, nicht reduziert, sonst wäre es blass geworden. Schwarz blieb also schwarz und die Blätter sind erkennbar braun.

Und was haben wir nun gelernt?

Ich brauche eigentlich kein Photoshop, denn dieses komplexe Programm kann eigentlich viel zu viel für mich kleine Fotografin. Meine Bilder kann ich ebensogut auch mit dem iPad oder gar dem iPhone und Snapseed bearbeiten, einer kostenlosen App für Android oder iOS – und ich tue das auch, wenn ich unterwegs bin. Wichtiger sind fotografisches Grundwissen, eine gute Vorbereitung, Kreativität sowie das Auge für Motive – auch solche, die erst bei anderen Bedingungen als den aktuellen „brauchbar“ sind. Das Fotografieren müssen wir nämlich noch immer selbst übernehmen, aller Technik zum Trotz. Und wissen Sie was? Wäre es anders, wäre ich keine Fotografin.


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