Die erste Frage, wenn ich ein Bild bei Twitter oder Instagram veröffentliche lautet: „Womit fotografierst Du?“ Die zweitgestellte stammt von denjenigen, die sich auskennen: „Sag mal die EXIF!“ Selten wird sich erkundigt, wo und wann ich ein Motiv fotografiert habe und niemals, warum und warum auf diese Weise.
Ich finde das traurig. Stehen diese Menschen im Museum vor einem Chagall und fragen sich, mit welchem Haar die Pinsel ausgestattet und welche Inhaltsstoffe die Farben hatten, mit denen er die ‚Schwebende Frau‘ gemalt hatte? Eigentlich sollte man Intentionen, Gedanken und Stimmungen hinterfragen, vielleicht sogar die künstlerisch-handwerkliche Technik des Schaffens, nicht aber das Equipment, mit dem ein Kunstwerk oder Handwerksstück geschaffen wurde. Warum ist das bei Fotografie anders?

Natürlich interessiert auch mich, wie ein Bild gemacht wurde. Jeder Maler, Musiker, Autor holt sich von anderen Künstlern Anregungen für eigene Werke und muss dafür hinter die Technik steigen, um sie – schlimmstenfalls – kopieren zu können. (Alle heutige Kunst ist letztlich eine Kopie von bereits Geschaffenem; die Frage ist nur, ob es bei der Kopie bleibt, oder ob Neues entsteht.)
Man erforscht also ein Foto, versucht zu ergründen, was es etwas Besonderem macht. Ist es das Licht? Ist es die Aufnahmetechnik? Der Schnitt? Die Bearbeitung des RAW oder des belichteten Films? Oder ist es „nur“ das Motiv? Letzteres ist meist in der dokumentierenden Fotografie gegeben, wenn die Konzentration auf ein Detail gerichtet ist. Kriegsfotografen halten einfach drauf, ihnen ist Blende, ISO und Brennweite egal. Es geht um den Moment, um das zu Zeigende. Da wird meist die Zeit oder die Blende vorgewählt, den Rest übernimmt die Kamera. Die spektakulärsten Fotos entstanden mit Leicas. Ich finde das interessant, denn Leica ist Purismus. Ich mag Leica, auch wenn ich mir niemals eine anschaffen würde. Die passt einfach nicht zu meiner Art der Fotografie.)

In der Fotografie sagt man, dass das beste Bild das ist, das gemacht wurde. Daraus folgt, dass jede Kamera, die man zur Hand hat, in der Lage ist, ein Bild zu machen, das zu einem von Weltruhm werden könnte. Wer den Moment bildlich festzuhalten in der Lage ist, in dem etwas geschieht, hat etwas Unwiederbringliches, etwas von Wert. Ob er dafür ein Smartphone verwendet hat oder eine Leica, Hasselblad oder Nikon ist völlig egal und wird niemals hinterfragt werden. Warum also werden wir Fotografen stets nach unserem Equipment und den Einstellungen befragt, mir denen wir ein Bild gemacht haben?
Okay, ich befriedige die Neugier all jener, die glauben, dass es auf die Hardware ankommt: Ich fotografiere
- mit einer Nikon D750 und einer Nikon D300s, die zur Infrarotkamera umgebaut wurde.
- mit modernen Objektiven von Sigma (Art), Nikon und Tamron. Daneben nutze ich sehr gern mindestens 50 Jahre alte analoge Objektive, auch Altglas genannt.
- mit Stativen von Rollei und Manfrotto.
- ohne Blitz oder Dauerlicht (außer im Studio).
- aus einem Rucksack von Jack Wolfskin heraus.
Die Nachbearbeitung meiner RAW-Dateien erfolgt in Adobe Photoshop und Luminar. Von Adobe werde ich mit einer kostenlosen Softwarelizenz unterstützt, wofür ich sehr dankbar bin. Davor hatte ich ein CC-Abo. Luminar ist eine umfangreiche, leistungsstarke und kostengünstige Kaufsoftware, die ich jedem Fotografen empfehlen kann. (Ich habe keine Verbindung zum Hersteller, das ist also meine unabhängige Meinung.)

Nun könnten wir über Sensorgrößen, Rauschverhalten, Auflösung, Schärfe und all dem anderen reden, worüber Techies so gern diskutieren. Ich bin im Thema, weiß genau, warum ich die Nikon D750 gewählt habe und nicht die D850. Warum ich noch immer mit einer Spiegelreflexkamera und nicht mit einer Spiegellosen fotografiere. Warum ich ein schweres Sport-Teleobjektiv mit bis zu 400mm Brennweite mit mir herumschleppe. Warum dies, warum jenes. Für mich zählt das, für die Entstehung eines Bildes zählt es. Aber zählt es für den Betrachter?
Meine EXIF werde ich auch weiterhin nicht veröffentlichen – warum auch? In diesem Moment war die Einstellung f5,6 – 1/500 – ISO200 – 250mm perfekt. Im nächsten Moment wäre es eine andere gewesen. Was also bringt diese Information? Lenkt sie nicht eher vom Bild ab, als echten Mehrwert zu bieten?
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