Was ist eigentlich Dynamik?

Vergessen Sie die Anzahl der Megapixel, der Dynamikumfang zählt! – Okay, und das Rauschverhalten, aber das ist wieder so ein ganz spezielles Ding all jener Fotografen, die häufig bei schlechtem Licht arbeiten. Ich zum Beispiel. Aber dazu schreibe ich besser mal einen eigenen Beitrag, in dem es dann auch um Sensorgrößen geht. Heute geht es erst einmal um Dynamik.

Sie begegnet uns in vielen Disziplinen, etwa in der Musik. Uns geht es hier aber um Bilder beziehungsweise ums Sehen. Und damit sind wir beim menschlichen Auge. Lassen Sie uns dieses feine Stück Kameratechnik – denn das ist es – mit dem vergleichen, was aktuell für Geld zu kaufen ist.

Datenblatt des menschlichen Auges

Unser Auge hat eine Brennweite von etwa 20mm. Übertragen auf einen Vollformat-Kamerasensor oder auf Kleinbildfilm (35mm) entspricht das rund 50mm. Das ist auch der Grund, warum 50mm-Objektive als „Normalobjektive“ bezeichnet werden. (Für die kleineren APS-C-Sensoren rechnet man mit 35mm Brennweite.)

Das menschliche Fokussystem ist dauerhaft auf automatisch und kontinuierlich eingestellt, was moderne Kameras zwar auch können, aber natürlich keineswegs so flott wie unsere Augen. Eine fast perfekt funktionierende Bildstabilisierung haben wir auch – nun ja, fast perfekt. Manchmal gerät es an seine Grenzen, fängt sich aber relativ schnell wieder.

Bei der für uns Fotografen sehr wichtigen Schärfentiefe sind uns selbst sehr alte Objektive überlegen, denn unser Auge kann nur den Bereich von etwa f5,6 bis f8 darstellen. Wir sehen deshalb immer, also auf allen Brennweiten gleich scharf; ein schönes Bokeh produziert unser Auge (glücklicherweise) nicht. Und weil wir diese Unschärfen aus unserer eigenen Wahrnehmung nur dann kennen, wenn Nebel über Landschaften liegt, lieben wir sie so auf Bildern. (Nur so eine These. Aber eine, die ich überzeugend finde. Immerhin ist sie von mir.)

(Natürlich werden Augenärzte und Augenoptiker diesen Aspekt exakt andersherum bewerten und unsere Augen bei der Schärfentiefe als überlegen einstufen. Aber die haben ja auch eine andere Herangehensweise an das Thema. Fotografen lieben Unschärfen an den richtigen Stellen, Augenärzte eher weniger.)

Die Auflösung wiederum – auch da können uns selbst die ersten digitalen Kameras das Wasser reichen. „Nur zwischen 8 und 12 Megapixel löst unser Auge auf. Rechnerisch kämen wir immerhin auf etwa 22 Megapixel. Warum die Differenz? Weil nicht nur unser Auge allein am Sehprozess beteiligt ist, sondern auch und vor allem unser Gehirn. Wir arbeiten also mit einem Hochleistungscomputer, der unser Sehen in Bilder umsetzt.

Und nun sind wir endlich beim Dynamik- oder Kontrastumfang. Der beträgt bei uns Menschen satte 20 Blendenstufen. Kameras bringen es auf 9-12, die modernsten Digitalkameras angeblich (!) auf bis zu 15. Allerdings muss ich diese Zahlen gleich zerlegen, denn sie sind angesichts der durchaus enormen Bandbreite nicht selbsterklärend.

Einschub: RAW vs. JPEG. Mal wieder.

Wir reden wie so oft über den Unterschied zwischen RAW und JPEG. RAW ist „roh“ und muss bearbeitet werden wie ein belichteter Film, beinhaltet aber auch alle Informationen, die der Sensor aufgezeichnet hat. JPEG wiederum wird bereits von der Software in der Kamera bearbeitet und komprimiert. Es gehen also Informationen verloren, was man angeblich im fertigen Bild nicht sieht. Das mag sein, ich will darüber nicht streiten, doch es schränkt uns Fotografen bei der Bildinterpretation gewaltig ein und bevormundet uns durch Filter, die nicht immer das Foto ergeben, das wir uns gewünscht hatten. Was geht verloren? Dynamik. Stattdessen finden wir meist Sättigung vor. Und damit sind wir wieder bei der Dynamik und endlich bei der Erklärung, was das eigentlich ist.

Alles zwischen hell und dunkel

Der Dynamikbereich ist der Quotient aus größtem und kleinstem von Rauschen bzw. Körnung unterscheidbaren Helligkeitswert. Der Quotient wird üblicherweise im 2er-Logarithmus als Blendenstufen angegeben. Verstanden? Ich auch nicht.

Mit einfacheren Worten handelt es sich beim Dynamikumfang um die Bandbreite zwischen ganz dunkel und ganz hell. Wir wollen nicht, dass dunkle Bildteile „absaufen“, also keinerlei Struktur mehr enthalten. (Und wenn, dann möchten wir selbst entscheiden, dass schwarz eben schwarz und nur schwarz sein soll.) Auf der anderen Seite der Skala ist Helligkeit. Auch sie soll möglichst auch dann noch Struktur beinhalten, wenn hell zu weiß wird. Ein Beispiel könnten Wolken sein oder ein Wasserfall. Diese beiden Extreme versuchen Kamera- bzw. Sensorenhersteller immer weiter auseinanderzuziehen. Sony ist damit ziemlich erfolgreich, was ich als Nikon-Besitzerin durchaus neidisch anerkenne. Filmhersteller sind übrigens deutlich besser beim Dynamikumfang – und das seit Jahrzehnten! Auch ein Grund, warum ich inzwischen (wieder) analog fotografiere …

Doping für die Haare Kamera

Es lohnt also, beim Kamerakauf auf den Dynamikumfang zu achten und weniger auf die Megapixel. Doch es gibt Tricks, die helfen, den Dynamikumfang zu erhöhen. Kein echter Trick, sondern lediglich eine Verschiebung ist es, auf die Höhen zu belichten, denn digitale Sensoren „vertragen“ Tiefen besser als Höhen. (Bei Film ist es andersherum.) Achtet man darauf, dass die Höhen nicht ausbrennen, also keinerlei Struktur mehr zu erkennen ist, wird das ganze Bild zwar zunächst deutlich dunkler, aber das lässt sich in Photoshop mithilfe des Schwarz- und Weißpunktes einfach korrigieren: Höhen runter, Tiefen rauf. Ich belichte digital fast grundsätzlich zwei Blenden unter, analog zwei über.

Ein echter Trick ist es, ein HDR anzufertigen. Mindestens zwei, besser drei bis fünf Fotos auf einem Stativ mit unterschiedlichen Belichtungseinstellungen machen, in der Kamera oder in Photoshop miteinander verrechnen lassen – fertig ist das Hochkontrastfoto. Das Ergebnis kann, wenn man sein Handwerk beherrscht, toll sein. Es kann aber auch richtig grausig aussehen und beim Betrachter das Gefühl eines LSD-Rauschs hervorrufen. Bei HDR-Fotografie gilt es mit viel Gefühl ans Werk zu gehen. Auf keinen Fall lässt man ein solchermaßen errechnetes Bild direkt als JPEG produzieren, sondern reduziert erst einmal nahezu alle Parameter, die im Entwicklungsprozess mit Schärfe, Kontrast und Farbe zusammenhängen signifikant. Ich fotografiere übrigens niemals HDR. Es ist mir einfach zu krass. (Und ich bin meist zu faul, ein Stativ mitzuschleppen …)


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