#NaTour_Urwald – das erste Fazit

Ich bin zurück. Randvoll mit Eindrücken, Erkenntnissen, Erfahrungen. Es wäre – war! – unmöglich, sich all das anzulesen, was ich nun weiß über europäischen Urwald im Allgemeinen und im Besonderen im Osten Polens und Westen Weißrusslands. Über Naturwälder konnte ich schon einiges an Wissen beisteuern, wenn es in Diskussionen darum ging, was als Wald bezeichnet werden darf.

Warum und wann ist Urwald Urwald? Was unterscheidet ihn konkret von Naturwald? Woran erkennt man ihn? Warum ist er unwiederbringlich verloren, wenn jemals ein Mensch eine Axt an in einen seiner Bäume geschlagen, seine Früchte und sein Totholz genutzt, Wege und Straßen durch ihn gebaut, seine Tiere gejagt hat? Kann man Wald nutzen und gleichzeitig schützen? Wie müsste das aussehen?

Die Frage aller Fragen: Was ist Urwald?

Diese und viel mehr Fragen hatte ich mir schon viele Jahre gestellt. Nun verlangte ich nach mehr als nur klugen, doch letztlich wenig befriedigenden, weil meist rein theoretisch begründeten Antworten: Ich wollte mir vor Ort ansehen, worüber wir reden, wenn es um Wald geht. (Und jeder von uns redet über Wald, spätestens seit dem Hambacher Forst, der – nomen es omen – ein Forst und kein „echter“ Wald ist. Was keinesfalls bedeutet, dass er nicht zu schützen und zu bewahren ist. Im Gegenteil.)

Einschub: Urwälder soll es ja hier und da in Europa geben, doch in aller Regel ist das Tourismusmarketinggeschwätz. Ich hatte das schon lang nicht nur vermutet, sondern steif und fest behauptet – und ich hatte recht. Keiner der Naturwälder in Deutschland oder Österreich ist ein echter Urwald. Und auch wenn noch Fragmente nachweisbar sind, darf man sie eben nicht als Urwald-Insel inmitten eines Waldes bezeichnen, denn der Einfluss des umliegenden Systems ist prägend. Wie eine dauerhaft mit dem Festland verbundene Insel keine Insel ist, so ist ein winziges Areal unberührter Erde inmitten eines einst bewirtschafteten Waldes eben kein Urwald (mehr). Was Urwald von Naturwald unterscheidet, ist so signifikant, dass die Bezeichnung Urwald eigentlich als Wortmarke geschützt gehört, um diese ständigen Missverständnisse und bewussten Falschbezeichnungen (um Geld damit zu machen) ein Ende finden.

Ich habe mit Einheimischen in Ostpolen gesprochen, die sich für oder gegen das Jagd- und Bewirtschaftungsverbot und für oder gegen eine Erweiterung der Auflagen zum Schutz des Urwaldes von Bialowieza aussprechen. Ich habe Fachleute stunden- und tagelang mit Fragen gelöchert und Antworten erhalten, die mich nicht nur viel schlauer gemacht, sondern noch mehr in meiner Sicherheit bestärkt haben, dass wir Menschen unverzüglich etwas gegen die aktuell betriebene Form von Waldwirtschaft unternehmen müssen. Dass ich kleiner Wicht, ich blutiger Laie, ich Nobody darüber referieren muss, dass Monokulturen mehr schaden als nutzen, ist ein Armutszeugnis für alle Waldbesitzer und Waldbauern, Forstwirte und Naturschutzbehörden. Doch es ist leider sehr banal: Mit Urwald lässt sich kaum Geld verdienen. Mit Naturwald auch nicht. Ergo baut man weiterhin Fichtenplantagen, die von Borkenkäfern zerstört, daraufhin unter Ach und Weh umgesägt und neu bepflanzt werden – mit Fichten. Das ist so unglaublich dumm, dass ich mich frage … ach, egal. Es ist müßig. (Ob es im Urwald Borkenkäfer gibt? Natürlich! Es gibt unzählige Schädlinge. Und keiner davon ist unwichtig oder gar verzichtbar.)

Wie geht es weiter mit #NaTour_Urwald?

Ich hatte noch von Polen aus gefragt, ob ein Interesse an einem digitalen oder gedruckten Magazin besteht. Ein zweites Fotobuch wäre sicher auch eine Möglichkeit gewesen, um Interessierten nahezubringen, wie Urwald aussieht, Doch ich habe mich dagegen entschieden, denn Urwald bietet nicht die spektakulär singulären Motive, die in Naturwäldern zu finden sind. Urwald ist Vielfalt und Chaos; sucht man Ordnung und System, wird man verzweifeln. Viele Wissenschaftler und Forscher beschäftigen sich damit, dem Geheimnis des Urwaldes auf den Grund zu gehen. Eine Arbeit, die niemals enden wird – vorausgesetzt wir bewahren „unseren“ europäischen Urwald, koste es, was es wolle.

Meine Dokumentation besteht also aus Details, aus Hinweisen auf Besonderheiten – und aus jeder Menge Fotos, die unfassbare „Schlamperei“ zeigen. Ich musste unweigerlich an Wimmelbilder denken. Man möchte unverzüglich beginnen aufräumen, um beim Blick zurück festzustellen, dass man bereits mit dem ersten Schritt hinein in dieses Jahrtausende alte Ökosystem aktive Zerstörung betrieben hat. Das alles werde ich zeigen und erklären. Nicht wissenschaftlich und ganz sicher nicht umfassend, sondern hoffentlich Neugier weckend. Ich bin davon überzeugt, wer neugierig geworden ist, beginnt genauer hinzusehen, weitere Informationen zu sammeln, bestehendes Wissen kritisch zu hinterfragen und letztlich aktiv beizutragen, das zu schützen, was ihm wichtig geworden ist. Und was einen interessiert, ist einem wichtig. Das ist mein Ansatz.

Eine Woche gebe ich mir, alle Bilder zu sichten und zu entwickeln sowie ein Konzept für das Magazin zu erstellen. Noch kann ich keine Aussagen treffen über Umfang und Preis, es wird jedoch wie immer bezahlbar sein. Das ist mir wichtig. Ich halte Sie auf jeden Fall auf dem Laufenden.


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