Es werde Licht!

Fotografie ist nichts anderes, als Licht durch ein Objektiv, also durch eine mehr oder weniger große Zahl von geschliffenen Glaskörpern, auf einen Film oder digitalen Sensor zu werfen. Wenig Licht ist synonym mit wenig Helligkeit, was wiederum mehr oder weniger Dunkelheit zur Folge hat. Mehr Licht … na, Sie verstehen schon.

(Zu) wenig Licht ist in der Fotografie unerwünscht, denn Licht ist das einzig Maßgebliche. Und damit beginnen die Probleme, denen man mit diversen Tricks begegnen muss:

  • Durch Öffnen der Blende, also mindestens f2,8. Das wiederum verringert die Schärfentiefe/Tiefenschärfe enorm. Das bedeutet, dass nur ein kleiner, möglicherweise nur einen Millimeter tiefer Bereich scharf dargestellt wird, alles davor und dahinter verschwimmt in Unschärfe. Die nennt man auch Bokeh und liebt sie – allerdings nicht immer und definitiv nicht auf Gesichtern. Stellt man auf die Augen scharf, sollten die Nase und die Ohren zumindest erkennbar sein. Selbst bei f4 muss man aus einem geringen Abstand sehr genau fokussieren, um das zu erreichen, bei f1,8 ist es selbst aus größerem Abstand nicht mehr zu gewährleisten.
  • Durch Verlängerung der Zeit, die dem Licht gegeben wird, sich auf dem Film oder Sensor zu verewigen. Für Belichtungszeiten länger als 1/25 Sekunde (mit Bildstabilisator) ist ein Stativ zwingend notwendig, um Bewegungsunschärfen zu vermeiden.
  • Durch das Erhöhen der ISO, also der Empfindlichkeit des Films/Sensors. Moderne Kameras haben damit kein Problem, Werte ab etwa ISO 3.000 sollte man allerdings vorher getestet haben, wenn einem das Bild wichtig ist. Den Angaben der Kamerahersteller, die gern fünfstellige Zahlen in den Raum stellen, würde ich nicht blind vertrauen. Zu hohe ISO-Werte lassen nämlich unter Umständen (beziehungsweise irgendwann) ein Bildrauschen entstehen, das auf dem fertigen Foto als körnige Unschärfe erscheint. Das kann unproblematisch sein, wenn einem der Moment und das Dokumentarische an dem Bild wichtiger ist als die technische Bildqualität. Das gilt es abzuwägen. Natürlich lässt sich Bildrauschen mittels guter Bildbearbeitungsprogramme unterdrücken, doch das wiederum geht auf Kosten der Schärfe: Das Foto wird verschwommen und matschig. (Luminar macht da einen bemerkenswert guten Job, wie ich bei der Entwicklung meiner Bilder einer Taufe in einer ziemlich düsteren Kirche festgestellt habe.)
  • Durch externes Licht. Das kann ein Blitzgerät sein oder ein Dauerlicht. Letzterem gebe ich den Vorzug vor Blitzlicht, weil ich Lampen besser in ihrer Intensität dosieren und ihr Licht genauer lenken kann. Ich sehe also bereits im Vorfeld, welche Bildwirkung ich erziele. Zudem kann ich die Lichttemperatur steuern, also warmes (gelbes, oranges) oder kühles (grünes oder blaues) Licht gradgenau erzeugen und meinem Motiv anpassen. Eine schöne Wirkung erzielt man auch, wenn man sein Motiv, meist einen Menschen, ans Fenster stellt. Auch eine Form von zusätzlichem Licht erzeugen Reflektoren, die weiß, golden oder silber beschichtet sind. Man verwendet in der Regel sie zum Aufhellen von lichtabgewandten Seiten.
  • Durch alle vier oben genannten Maßnahmen, möglichst sauber aufeinander abgestimmt und je nach Motiv und Zeit zum Überlegen sinnvoll eingesetzt. Wenn man kein lichtstarkes Objektiv oder kein Stativ hat, dreht man eben die ISO hoch. Etwas anderes bleibt schlicht nicht. Das ist auch der Grund, warum Fotografen die Investition in besondere und sehr teure Objektive die in eine neue Kamera vorziehen. Nicht wenige meiner Kollegen arbeiten mit alten 12 Megapixelkameras, weil diese Geräte schlicht noch ihren Dienst verrichten. Dafür schrauben sie dann Linsenpakete aufs Gehäuse, für die sie auf so manchen mehrwöchigen Jahresurlaub im Edelressort verzichten mussten. Ich kann’s verstehen …

Starke ND-Filter werden vor allem eingesetzt, um besondere, meist verwaschene Effekte zu erzielen. Hier wurde das Wasser eines Sees mehrere Minuten lang „gebügelt“.

Viel ist gut, mehr ist manchmal zu viel

Wir folgern aus dem Obigen: Je mehr Licht, desto besser. Nun, unglücklicherweise stimmt das nicht. Es gibt nämlich durchaus die Konstellation, dass einfach zu viel Licht da ist, so viel, dass der Fotograf oder die Kamera gezwungen ist, quasi die Schotten dicht zu machen. Das ist meist im Sommer der Fall, vor allem zur Mittagszeit. Wir Fotografen haben nicht grundlos stets die „Goldene Stunde“ mit ihrer weichen, warmen, sanften Lichtstimmung auf dem Radar oder gehen bei bewölktem Himmel fotografieren. Manche sogar kurz vor oder nach Sonnenauf- beziehungsweise -untergang. (Diese Zeit nennt man „Blaue Stunde“ und auch sie trägt ihren Namen zu Recht.)

Und wie begegnet man nun einem Zuviel an Licht? Gehen wir zurück zur den Maßnahmen, die wir bei (zu) wenig Licht ergreifen können:

  • Durch Schließen der Blende. Theoretisch kann man das bis zum Ende der mechanischen Möglichkeiten des Objektivs tun (oder der digitalen, wenn man mit einem Smartphone fotografiert, für das das hier Beschriebene grundsätzlich ebenfalls gilt). Praktisch sieht die Sache etwas anders aus, da je nach Objektiv ab f18 oder f20 Verzerrungen auftreten, die das Bild unschön wirken lassen. Korrigieren kann man das auch mit einer guten Software kaum bis gar nicht. Auch ein Thema ist wiederum die Schärfentiefe/Tiefenschärfe, die nämlich im Gegensatz zu oben erklärt, von vorn bis hinten gleich verläuft. Es wird also nicht nur der Mensch deutlich dargestellt, sondern auch die Gebirgskette, die mehrere hundert Kilometer im Hintergrund verläuft. Das will man als ambitionierter Fotograf nicht, denn man hat in der Regel ein Motiv, das man herausstellen will. Man nennt diesen Effekt Freistellung. Dazu, wie man das möglichst elegant erreicht, schreibe ich demnächst mal eine Anleitung.
  • Durch Verringern der Belichtungszeit. Auch da ist irgendwann Schluss, bei meiner Nikon D750 ist das bei 1/4000 Sekunde.
  • Durch Verringern der ISO, was ebenfalls Grenzen hat. Meist ist das ISO 50.
  • Durch Abschattung des Motivs mittels dunkler Tücher, Wände, Rollos … oder durch die Wahl eines anderen Standorts. Ist das nicht möglich, hat man Pech.
  • Durch die Kombination aus alle diesen Methoden. Darauf sind Sie allerdings sicher selbst schon gekommen. Deshalb habe ich den ultimativen Tipp für Sie:
  • Durch Verwendung eines Filters. Man nennt diese de facto Sonnenbrillen für Objektive Graufilter (nomen est omen) oder Neutraldichtefilter, kurz: ND-Filter. Sie haben verschiedene Stärken, die die jeweilige Verlängerung der Belichtungszeit beschreiben: ND2, ND4, ND16, ND64, ND1000. So verlängert ein ND2-Filter die Belichtungszeit um das Doppelte, ein ND1000-Filter um das Eintausendfache. Auch verstellbare Graufilter kann man erwerben, zu denen ich allerdings nicht wirklich raten kann. Sie sind zum Fotografieren einfach nicht exakt genug einstellbar, beim Filmen jedoch setze ich sie gern ein, weil ich da ja unmittelbar das Ergebnis sehe. Damit man nicht rechnen muss, gibt es Tabellen oder Apps, die man kostenlos oder für einen Euro auf das Smartphone laden kann. Man bestimmt also die Belichtungszeit ohne Filter, gibt die und den gewünschten Filter in die App ein und erhält einen Wert, den man – natürlich dann im manuellen Modus – an der Kamera wählt. Ein bisschen experimentieren muss man in der Regel, aber die Angaben sind bereits recht brauchbar. Damit kann man nicht nur „normal“ fotografieren, sondern auch wunderbare Langzeitaufnahmen machen. Es bieten sich dabei (fließende) Gewässer an, Wolkenhimmel oder Sterne. Zu beachten ist, dass sich bewegende Motive unscharf werden, etwa im Vordergrund vom Wind bewegte Zweige oder Boote auf dem Wasser. Ein aktuelles, sehr ausführliches Tutorial auf Youtube stellt die verschiedenen ND- und Verlaufsfilter vor und erläutert die Einsatzgebiete. Für Einsteiger sehenswert, für Fortgeschrittene durchaus einen Blick wert.
Und was ist mit Smartphone-Fotografen?

Die vielen Phoneografen, die sich nun fragen, ob man das auch mit dem Smartphone machen kann, kann ich beruhigen und motivieren: Man kann! Dafür wählt man ein Objektiv, das man auf der Kameralinse anbringt (was sich ohnehin aus mehreren Gründen empfiehlt), montiert darauf den entsprechenden Filter und wählt eine App, die manuelle Einstellungen erlaubt. Welche App man bevorzugt, ist Geschmacks- und nicht selten Glaubenssache.

Ich kann die Objektive von Moment wärmstens empfehlen. Sie sind ihr Geld mehr als wert und ich nutze sie fast täglich an meinem iPhone 8 Plus zum Filmen und Fotografieren. In meinem Besitz sind das Weitwinkelobjektiv, das ein must ist, das Tele – nice to have – und das Anamorphic, das sensationelle Effekte beim Filmen erzielt. Aber zum Fotografieren mit dem Smartphone schreibe ich mal einen eigenen, längeren Beitrag.


[email-subscribers-form id=“1″]

Nach oben scrollen