Was ist eigentlich das Belichtungsdreieck?

Es gibt drei Variablen, aus denen sich ein belichtetes Foto zusammensetzt. Diese drei sind die Blende, die die durch das Objektiv auf den Sensor oder Film fallende Lichtmenge reguliert, die Belichtungszeit sowie die ISO. Letztere ist bei Analogfotografie durch die Empfindlichkeit des Films fest vorgegeben; bei Digitalfotografie ist sie eine Variable. Zu Analogzeiten gab es einen Merksatz, der durchaus auch heute noch gilt:

„Sonne lacht, Blende acht.“

Hatte man bei strahlendem Sonnenschein, also „heller Helligkeit“ den Fotoapparat mit einem Film der Empfindlichkeit ISO 100 geladen und löste bei Blende 8 1/100 Sekunde aus, konnte nicht viel schief gehen.

Zwischenbemerkung: Je geringer die Zahlen werden, desto weiter öffnet sich die Blende, desto mehr Licht fällt ein und vice versa. Also benötigt man, je dunkler es wird, desto größere Blendenstellungen. Das missverständliche dabei ist, dass dabei nicht die Zahlen größer werden, sondern kleiner. (Wer sich das ausgedacht hat, muss ein echter Scherzbold gewesen sein.)

Es geht ums Licht. Nur ums Licht.

Die Belichtungszeit macht im Grunde dasselbe: Sie regelt die Lichtmenge, die auf den Film oder den Sensor fällt. Je länger der Verschluss der Kamera geöffnet bleibt, desto mehr Licht, desto heller das Foto. Klar soweit? Hier haben wir allerdings kein kleines Problem, denn ab einer bestimmten Dauer können wir die Kamera nicht mehr ruhig genug halten, um ein scharfes Foto zu machen. Manche schaffen 1/60 Sekunde, andere nur 1/100. Wer eine sehr ruhige Hand hat, kann auch 1/30 Sekunde noch gut halten. Ich kann’s nicht. Wir Zappelphilippe behelfen uns entweder mit einem Stativ oder wir kennen das Belichtungsdreieck und steuern mit einer der beiden anderen Variablen gegen.

Ich habe das mal aufgezeichnet. Ich bitte um Gnade, aber das Zeichnen ist nicht meine Stärke. Oben sehen Sie das Belichtungsdreieck, das aus den bereits erwähnten drei Variablen Blende, Zeit und ISO besteht. Während viele Kollegen bei diesem Dreieck bleiben, wenn sie das Zusammenspiel der Variablen erklären, nehme ich lieber einen Kreis. (Ein Dreieck ist mir zu starr und macht die Flexibilität der drei Variablen nicht so deutlich, finde ich. Bei meinen Workshops zeichne ich noch Linien kreuz und quer ein und habe damit gute Erfahrungen gemacht in Sachen Lernerfolg.)

Variablen, Variablen, Variablen

Für den ersten Schritt müssen Sie eigentlich nur wissen, welche Variable Sie fixieren wollen oder müssen. Das kann, wie bei der Analogfotografie, die ISO sein, schlicht, weil der Film eine vorgegebene Empfindlichkeit besitzt. Gehen wir für unser Beispiel von ISO 200 aus. Also drehen Sie den Belichtungskreis (oder das Belichtungsdreieck) mit der ISO nach oben und denken über die beiden anderen Variablen nach.

Aber möglicherweise ist eine der beiden Variablen ebenfalls keine echte Variable? Das kann sein, wenn es zu dunkel oder zu hell ist. Ist es zu hell, laufen Sie Gefahr überzubelichten, Sie müssen also die Lichtmenge, die auf den Film fällt, von vornherein begrenzen. Das können Sie über die Blende tun und/oder über die Belichtungszeit. Wir wissen: Blende auf –> mehr Licht, Blende zu –> weniger Licht. Dasselbe bei der Belichtungszeit: längere Zeit –> mehr Licht, kürzere Zeit –> weniger Licht. Nun müssen wir nur noch entscheiden, wie wir diese beiden Variablen miteinander kombinieren.

Zwischenbemerkung: Leider gilt es noch einen optischen Aspekt zu berücksichtigen. Die Blende steuert nämlich auch die Schärfentiefe. Je weiter Sie sie öffnen (kleinere Zahlen), desto unschärfer wird die Tiefe, also der Hintergrund des Fotos, wenn Sie auf den Vordergrund fokussieren und vice versa. Dieser Effekt tritt, je nach Brennweite Ihres Objektivs ab Blende 6,3 oder 5,6 auf und nimmt zu. Je lichtstärker Ihr Objektiv ist, also je kleiner die Zahlen sein können, desto deutlicher wird die Schärfen(un)tiefe. (Und desto höher wird der Preis des Objektivs.) Schließen Sie die Blende (ab 8 bis 11 und höhere Zahlen), werden Vordergrund und Hintergrund zunehmend scharf. Damit kann man als Fotograf spielen, etwa bei Porträts. Da ist ein verschwimmender Hintergrund – das Bokeh – äußerst erwünscht.

(Puh. Sind Sie noch am Ball?)

Das Ganze in der Praxis

Lassen Sie uns eine Gruppe Menschen fotografieren. Vorn grinsen kleine Kinder, von der dritten Reihe aus schauen Männer mit den weißen Bärten streng in Ihr Objektiv. Alle sollen schön scharf werden, niemand möchte, dass sein Gesicht in Unschärfe verschwimmt. Sie wissen: Bei der Schärfentiefe sind Sie ab Blende 8, besser Blende 11 auf der sicheren Seite. Also fixieren Sie Ihre erste Variable. Es bleiben übrig? Genau: ISO und die Belichtungszeit.

Fotografieren Sie analog, haben Sie eine durch den Film vorgegebene ISO, also nur noch eine verbleibende Variable: die Zeit. Dennoch ist die Entscheidung nicht schwierig, denn die meisten Kameras sagen Ihnen auf die eine oder andere Weise durch den eingebauten Belichtungsmesser, ob Sie mit diesen beiden Vorgaben mit einer auf Verdacht eingestellten Zeit von 1/125 Sekunden hinkommen oder ob Sie länger oder kürzer belichten müssen. Länger wird schwieriger ruhig zu halten, also suchen Sie sich besser etwas, um die Kamera darauf abzustellen. Länger ist aber auch nicht einfach, wenn die Kinder mal wieder partout nicht stillsitzen wollen …

Analog oder digital – eine Frage der ISO

Analog haben Sie also irgendwann ein Problem, denn entweder

  • ist die erste oder die letzte Reihe unscharf oder
  • Sie haben Bewegungsunschärfe im Bild oder
  • das Foto wird zu dunkel.

Sie werden einen deutlich lichtempfindlicheren Film einlegen oder mit Zusatzlicht arbeiten müssen. Ein Blitz ist hier einfachstes Mittel der Wahl (wobei ich stets Dauerlicht bevorzuge, denn ich mag den Effekt und die Farbe von Blitzlicht nicht). Mit einem Blitz sind Sie wieder ganz oben angelangt bei dem Sprüchlein: „Sonne lacht, Blende acht.“

Und digital? Da sind Sie fein raus. Sie haben die Blende gewählt, bei der alle Personen scharf abgebildet werden, haben eine Zeit eingestellt, die Sie noch gut aus der Hand fotografieren können und auch herumalbernde Kinder keine Unschärfen erleiden – ich schlage mindestens 1/250 Sekunde vor – und haben nun noch die ISO zu klären. Das würde ich an Ihrer Stelle der Kamera überlassen, indem ich im Menü auf „ISO-Automatik“ stelle. Bevor also Ihre Einstellungen in einem zu dunklen Foto münden, greift die Kamera ein und schraubt die ISO so weit nach oben wie es notwendig ist.

Wobei … ganz so einfach ist es wieder nicht, denn hohe ISO-Werte verursachen Rauschen. Je nach Kamera kann das ab ISO 1000 auftreten oder auch ab ISO 6000. (Ja, es gibt einen Zusammenhang mit dem Preis der Kamera, so leid es mir tut, das so deutlich sagen zu müssen.) Sie sollten also vorher ausprobieren, wie hohe ISO-Werte Ihr Sensor verträgt und im Menü den entsprechenden Höchstwert angeben. Damit kann es zwar passieren, dass Sie, wenn alle Variablen ausgereizt sind, eine neue Entscheidung treffen müssen, also entweder eine Blende öffnen oder die Belichtungszeit verlängern, aber das ist akzeptabel. Wenn es so dunkel im Zimmer ist, sollten Sie ohnehin lieber das Licht anmachen.

Warum muss immer alles einfach sein?

Eigentlich ganz einfach, das alles. Oder? Nein? Nein. Ist es nicht. Doch Sie sollten sich den Gefallen tun und es lernen. Zumindest aber sollten Sie Ihre Kamera verstehen. Die macht es nämlich auf keinen Fall besser als Sie es können, denn sie macht es nach Schema F. Sie weiß nicht, dass Enkel und Opa scharf abgelichtet werden sollen und sie weiß auch nicht, wie ruhig Ihre Hand ist oder ob Sie die Kamera auf ein Stativ montiert haben. Gehen Sie davon weg, der Technik alle Entscheidungen zu überlassen. Schalten Sie von Vollautomatik in Teilautomatik und fotografieren Sie endlich statt nur zu knipsen!

Ich arbeite bei meiner Nikon D750 ohne Ausnahme mit Blendenautomatik, wähle also die Blende vor und lasse die Kamera den Rest tun. Dabei begrenze ich die ISO entweder großzügig auf ISO 5000 oder schalte die ISO-Automatik aus, um selbst zu entscheiden, ob ich ein Rauschen riskieren möchte. Bei dunklen Motiven passiert das rascher als man erwartet – auch bei meiner Vollformatkamera. Ich habe nicht nur ein Mal die ISO ungewollt entgleisen lassen, was meine schönen Sonnenuntergangsbilder unbrauchbar gemacht hat, weil sie „sandig“ waren.

Analog, also mit den guten alten Fotoapparaten, bleibt mir nichts anderes übrig als manuell zu fotografieren. Ich nehme stets ISO 400-Filme und wähle auch analog stets erst die Blende und dann die Zeit. Andersherum macht es für mich keinen Sinn, denn ich fotografiere nur selten bewegte oder sich bewegende Motive. Und wenn alle Stricke reißen, gibt’s ja noch die vierte Variable: ein Stativ.


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