Sonne lacht – Blende 8

Mittlerweile bin ich so tief in die Analogfotografie eingetaucht, dass ich meine teilweise schmerzlichen Erfahrungen gemacht habe – und mehr noch: Die Erfolge und Misserfolge von vor Jahrzehnten tauchen nach und nach wieder auf. Ich experimentiere mit Filmen und mit Kameras (Ich erzähle dazu bei Gelegenheit mal mehr.) und werde immer sicherer in der Wahl des für die geplante Fototour geeigneten Fotoapparates sowie Filmmaterials. Diese Erkenntnisse und Erinnerungen teile ich gern. Heute beantworte ich eine Frage, die mir immer wieder gestellt wird:

Wie findest Du mit Deinen analogen Kameras die richtigen Einstellungen? Gilt „Sonne lacht, Blende 8“ noch und wenn ja, taugt diese Formel was?

Bekanntermaßen mag ich nicht nur mindestens 40 Jahre alte analoge Kameras, sondern vor allem mechanische. Also alles ohne Batterie und damit ohne Belichtungsmesser – mit zwei Ausnahmen. Meine Voigtländer Bessamatic Deluxe und meine Zeiss Ikon Contaflex Super Neu schlagen mir Einstellungen vor. Wobei … hmnjein. Ich muss es besser formulieren: Sie zeigen mir ganz ohne Strom mittels einer Nadel auf dem Gehäuse und/oder im Sucher, ob meine Einstellungen ein zu helles oder zu dunkles Bild zur Folge haben können. („Können“ deshalb, weil das System zwar früher toll funktioniert hat, aber natürlich, wie alles, dem Alter unterworfen ist und deshalb die Werte inzwischen eher Anhaltspunkte sind als Wissenschaft.) Möglich wird das durch Selenbelichtungsmesser. Wollen Sie’s genauer wissen, empfehle ich diesen Wikipedia-Beitrag. Von hier aus lässt sich gut weiterrecherchieren. An dieser Stelle soll nur deutlich werden, dass ich entweder ohne oder mit vagen bis schwankenden Näherungswerten klarkommen muss.

Wie misst man Licht?

Schon wieder missverständlich. Der Zwischentitel müsste lauten: „Wie messe oder schätze ich Licht?“

  • Die erste, ziemlich coole Methode ist, das Smartphone herauszuziehen und myLightmeter Pro zu starten. ISO einstellen, einen weiteren Wert wählen – meist ist das die Blende -, das Motiv anvisieren, Zeit ablesen, an der Kamera einstellen, fokussieren, auslösen. Die Ergebnisse sind in fast allen Fällen perfekt. Film muss oder sollte auf die Schatten belichtet werden, also messe ich die dunklen Bereiche. Will ich ein kontraststärkeres Bild, messe ich einen Mischbereich oder, bei typisch harter schwarzweißer Streetphotography, die Lichter.
  • Die zweite Methode ist weniger praktisch und cool, dafür angeblich professioneller. Ich ziehe meinen (bei Ebay geschossenen) Belichtungsmesser aus der Tasche. Damit habe ich viel mehr Möglichkeiten der Messung, allerdings schleppe ich auch ein Teil mit mir herum, das so groß ist wie meine Zorki 1C. (Die ich übrigens sehr schätze, weil sie mir dem versenkbaren Objektiv in jede Jackentasche passt.) Dieses Teil ist damit für meine Mittelformatfotografie mit der Mamiya C330 gedacht. Dabei kommt es auf ein Trumm mehr oder weniger auch nicht mehr an …
  • Die dritte Methode ist so alt wie die Fotografie und, wenn man sie beherrscht, richtig cool. Die erkläre ich Ihnen jetzt.
Hell, heller, Blende 16

Moment! Schon wieder eine Unachtsamkeit meinerseits. Um das Folgende korrekt umsetzen zu können, gilt die erste Regel: Fotografieren Sie mit ISO 400-Filmen. Immer. Der Grund ist, dass alles darunter, also ISO 200, 160, 100 oder gar noch geringer, nicht lichtstark genug ist. Sie werden damit immer in Situationen geraten, dass die erforderlichen Belichtungszeiten zu lang sein müssen, um ohne Stativ fotografieren zu können. Und Stative – ich bitte Sie! Uncool. Zu hell kann es hingegen praktisch nie werden, denn die meisten Kameras können notfalls 1/1000 Sekunde auslösen. Habe ich aber noch nie gebraucht. Nicht bei Film. Aber zur Empfindlichkeit von Film ein andermal mehr. Jetzt denken Sie daran: ISO 400. Und damit weiter im Text.

Sie fädeln also Ihren Film in die Kamera, klappen den Deckel zu (oder frickeln unter lautem Fluchen den Boden dran), transportieren den Film zwei Mal, lösen zwei Mal aus, stellen die Belichtungszeit auf 1/500 und sind nun bereit, meine Tricks umzusetzen. Wichtig ist, dass Sie die Belichtungszeit vergessen. Ausnahmen bestätigen diese Regel, doch das müssen Ausnahmen bleiben. Nach dieser Ausnahme wird das Rädchen wieder auf 1/500 gestellt.

  1. Beginnen wir bei wolkenlosem Sommerhimmel. Diesen belichten wir mit Blende 16. Die Zeit, Sie haben es sich hoffentlich gemerkt, bleibt bei 1/500. Das wiederhole ich ab jetzt nicht mehr, denn Sie sind ein kluger Mensch.
  2. Mogeln sich zwei, drei Wölkchen auf den Himmel, öffnen wir auf Blende 11. Es sind wirklich nur Wölkchen und wirklich nur zwei, drei!
  3. Jetzt bewölkt sich der Himmel mit diesen typischen Sommernachmittagswolken. Noch immer ist etwa beziehungsweise maximal 50 Prozent blauer Himmel zu sehen und noch immer lacht die Sonne. Aber für den Film wird das Licht diffuser, weniger hell. Wir öffnen auf Blende 8. Testen Sie einfach selbst mit ihren eigenen Augen, wie Sie selbst das Licht bei verschiedener Bewölkung empfinden. Können Sie die Augen noch komplett offen halten? Kneifen Sie? Stark oder nur ein bisschen? Bei diesem schönen weißblauen Himmel, den ich jetzt meine, werden Sie ohne Sonnenbrille auskommen, aber es wird trotzdem zu hell für ganz offene Augen sein.
  4. Nun ist der Himmel zu. Die Sonne ist verdeckt, kein Blau mehr, das Licht würden wir zwar nicht als dunkel, aber auch nicht als hell beurteilen. Hellgrau, so irgendwie. Für uns bedeutet das Blende 5,6.
  5. Der nächste Schritt Richtung schlechtes Wetter ist starke Bewölkung, die nicht mehr weiß ist oder grau, sondern hohe Regenwahrscheinlichkeit bedeutet. Mehr als Blende 4 wird nicht mehr funktionieren, womöglich sogar nur Blende 2,8. Denken Sie daran, dass Film Helligkeit besser verträgt als Dunkelheit!

Und was ist nun mit der Ausnahme? Die könnte Punkt 4 und 5 sein. Oder auch wenn Sie indoor fotografieren. Da aber schlage ich Zusatzlicht vor. Wird es (outdoor) zu dunkel oder benötigen Sie mehr Tiefenschärfe, können Sie jetzt an der Zeit drehen. Bei Punkt 4 auf 1/200, bei Punkt 5 auf 1/125. Dafür lassen sie die Blende in Frieden. Weniger, also 1/60 würde ich nur vorschlagen, wenn sie eine sehr ruhige Hand haben. Hier stellt sich wie immer die Frage, was Ihnen wichtiger ist: ein korrektes, ein scharfes Bild oder eines, das nicht perfekt ist, dafür aber einzigartig und wichtig? Die wenigsten historisch bedeutsamen Fotos sind technisch perfekt, die meisten weit entfernt davon. Es ist Ihre Entscheidung! Bevor Sie derartige Entscheidungen treffen, empfehle ich Ihnen, sich mit dem Belichtungsdreieck zu befassen. Je besser Sie die Regeln kennen, desto souveräner können Sie sie brechen. (Und desto besser verstehen Sie, was wieder einmal schiefgegangen ist.)


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