Smartphone oder Kamera? Warum „oder“?

Die Diskussion, ob Smartphonefotografie überhaupt Fotografie ist und ob die Bilder, die aus Telefonen stammen, wettbewerbsfähig sind, wird seit mehreren Jahren teils erbittert geführt. Sie stieg an und ebbt gerade wieder ab beziehungsweise wird sachlicher, emotionsfreier.

Meiner Meinung nach war diese Debatte zu jeder Zeit sinnlos, denn früher war ein Handyshot qualitativ so minderwertig, dass kein Vergleich zu DSLR war, und heute ist der Streit Pixelzählerei. Bei modernen Smartphones ist die Technik so fortgeschritten, dass bei einem Landschaftsfoto kein Unterschied erkennbar ist – zumindest bis zu einer bestimmten Vergrößerung und bei Blende 8 oder 11. Nun ja, und bei gutem Licht. Nicht zuviel, nicht zu wenig. Viel Licht schafft leider noch immer ausgebrannte Stellen, zu wenig lässt das Foto rauschen. Also ist doch kein Vergleich möglich?

Wie so oft: Es kommt darauf an.

Viele Fotografen nehmen ihre Bilder erst mit dem Smartphone auf, um beurteilen zu können, ob das Foto so herauskommt, wie sie es möchten. Ob die Komposition stimmig ist, ob das flache Bild dem nahe kommt, was das menschliche Auge in der Dreidimensionalität an Informationen aufnimmt, und nicht zuletzt, ob das Gefühl, das beim Betrachten des Motivs entsteht, sich überhaupt auf einen Sensor übertragen lässt. Dann erst greifen Sie zur Kamera. Das bedeutet nicht weniger, als dass man auch mit dem Smartphone fotografieren kann – nur eben mit Einschränkungen.

Ist man sich der Defizite der Smartphoneography bewusst, spricht nichts dagegen, sie für semiprofessionelle Zwecke einzusetzen. Die Defizite liegen natürlich auf der Hand:

  • Fehlende Schärfentiefe
  • nur rein rechnerische, nicht aber wirklich brauchbare Auflösung
  • kaum vorhandene Dynamik
  • häufig auftretendes Banding
  • geringer Kontrast und Schärfe oder Überschärfe
  • starkes Rauschen sowie Ausbrennen und Absaufen von Lichtern und Schatten

Nimmt man Fotos in RAW auf statt in JPG und korrigiert bereits bei der Aufnahme die Belichtung (in der Regel Richtung Minusbereich) , fällt das Ergebnis besser aus, wirklich gut jedoch nicht. Kein Wunder, denn der winzige Sensor lässt sich naturgemäß nicht einmal mit der Performance der 1″-Sensoren kleiner Kameras oder mit MFT-Sensoren vergleichen. APS-C weist Smartphones dann dann endgültig in die Schranken. Kommt es vor allem auf Lichtstärke und auf Rauschverhalten an, führt kein Weg an Vollformatkameras (Kleinbild) vorbei. Das ist auch der Grund, warum ich mich für eine Nikon D750 entschieden habe. (Ich bin alte Nikonianerin, es hilft halt nichts.)

Handys sind kleine Kameras mit Einschränkungen.

Zurück zu den Vorteilen von Smartphones: Sie sind klein. Man hat sie immer dabei. Sie können mittlerweile fast alles, was eine ausgewachsene Kamera mit Festbrennweite auch kann. (Nicht wenige Smartphones verfügen sogar über zwei oder drei Linsen, die das pixelkillende digitale Hineinzoomen der Vergangenheit angehören lassen. Außerdem gibt es hervorragende Objektive, etwa von Moment.) Man kann RAW fotografieren, man kann flat filmen und stille oder bewegte Bilder später bearbeiten. Also alles gut?

Nein!, höre ich ambitionierte Kamerafotografen rufen. Ja, sage ich, Sie haben Recht. Ich würde niemals auf meine Kamera verzichten wollen und können. Die meisten meiner Bilder könnte ich einfach nicht machen! Und dennoch würde ich Sie gern zu einer Wette einladen. Ich habe ein paar teilweise uralte Fotos für Sie auf meiner Festplatte gefunden, die Sie einordnen sollen. Es sind Fotos mit dem iPhone 6s Plus, mit einer Nikon D700 (Vollformat) und mit einer Nikon D300s (APS-C) dabei. Also alles nicht wirklich auf dem heutigen technischen Stand. Hätten Sie’s bemerkt, wenn ich Sie nicht darauf hingewiesen hätte?

Und? Schwierig? Natürlich kann man die fehlende Schärfentiefe bei Landschaftsfotos gut nutzen. Und da sollte man Handykameras auch vorrangig einsetzen. Das heißt aber nicht, dass es nicht andere Möglichkeiten gibt.

Freistellen mit dem Handy ist unmöglich?

Aber das mit dem Freistellen?! Tja, das ist in der Tat nicht ganz einfach. Freistellung erreicht man nun einmal nur, indem man ein Tele- oder Makroobjektiv nutzt – oder? Das stimmt und doch auch nicht. Entscheidend ist, wie nah die Kameralinse am Motiv dran und wie weit der Hintergrund vom Motiv entfernt ist. Vorn wenig, hinten viel Raum. Das ist (fast) das ganze Geheimnis des Freistellens. Mit dem Objektiv hat das weniger zu tun, als gemeinhin behauptet wird. Auch die Blende ist natürlich wichtig, aber auch nicht das entscheidende Kriterium.

Ich lege mich fest: Wenn man weiß, wie man’s machen muss, sind auch mit dem Handy sauber freigestellte Bilder, also scharfe Motive mit unscharfem Hintergrund machbar. Glauben Sie nicht? Schauen Sie mal:

Okay, die Qualität wird nicht für den Abdruck in einem Hochglanzmagazin genügen, dafür sind die Bilder zu klein und rauschen zu stark. Aber hey: Es sind Handybilder! (Die im Übrigen gemeinsam mit noch weiteren dieser Art in einem Flyer verarbeitet wurden. Klein aber oho. Warum ich nicht mit der Kamera fotografiert habe? Weil die just bei diesem Job den Geist aufgegeben hatte. So habe ich’s einfach probiert. Und mir selbst bewiesen – und Ihnen hoffentlich auch -, dass Handyfotos durchaus konkurrenzfähig sein können. Man muss sich mit Smartphoneography beschäftigen und üben. Probieren Sie’s einfach!


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