Jedes Bild erzählt eine Geschichte

Heute habe ich eine dieser Fotogeschichten für Sie, die – tätäää, es folgt eine Plattitüde – das Leben schrieb. Sie beginnt damit, dass jemand gestorben ist und jemand anderes geerbt hat. Kameras nämlich. Alte Kameras, besondere Kameras, denn sonst würde diese Geschichte wohl kaum in mein Blog gefunden haben. Es handelte sich um ein Konvolut aus Zusammengekauftem, das leider nicht sachkundig verwendet und gelagert wurde. Traurig, aber so ist das häufig, wenn Menschen Geld haben und es in Materiellem anlegen.

Aus dieser Erbmasse wollte ich eine Bronica GS-1 erwerben, die auf den Bildern sehr gut in Schuss zu sein schien. Ich freute mich auf dieses hierzulande relativ seltene Stück analoger Mittelformatkameratechnik und ließ es mir schicken, um es zu testen. Wäre der Test positiv verlaufen, hätte ich ein faires Angebot abgegeben, das sicher nicht unter 500 Euro gelegen hätte.

Vorfreude weicht Ernüchterung

Das schöne Stück kam an und ich nahm es mir zur Brust. Leider – das hatten Sie erwartet, nachdem oben „wäre“ steht – fiel mir gleich auf, dass das gute Stück Bodenkontakt gehabt haben musste. Nicht gut. Dennoch schien die Bronica nahezu unbenutzt zu sein; ein längst nicht mehr produzierter Film aus den Neunzigern steckte noch im Filmhalter. Das alles muss nichts heißen, ich habe schon ganz andere Kameras wieder flott bekommen. Ich ließ mich also nicht davon abhalten, die Bronica zu zerlegen, zu reinigen und alle Kontakte zu prüfen.

Da lauerte das nächste Drama: Korrosion und – schlimmer – Ausbrüche. Woher auch immer. (Heute weiß ich, dass die Kamera bei ihrem Sturz den Handgriff montiert hatte. Das sorgte für kapitale Schäden an den mit dem Griff verbundenen Kontakten.) Nicht gut. Gar nicht gut. Ich kaufte eine Batterie, legte einen Film ein und wollte die Funktionen prüfen. Nichts. Die Bronica erkannte nicht, dass ein Film eingelegt war und stellte sich tot. Irgendwann hatte ich dieses Problem gelöst, wobei Sie mich bitte nicht fragen dürfen, wie. Vermutlich half in diesem wie in vielen anderen Fällen schlicht Fluchen.

Zickig und widerspenstig

Dann wollte die Kamera ihr Objektiv nicht hergeben. Das musste ab, weil die Blende klemmte. Auch da sorgt eine ausgefeilte Elektronik dafür, dass verschiedene Schritte ausgeführt werden müssen, damit nicht versehentlich der Film belichtet wird. Die Trennscheibe allerdings war HIMMELARSCHUNDZWIRN garantiert und richtig montiert … Okay, irgendwann funktionierte auch das und ich konnte die Objektive wechseln. Nicht immer, aber immerhin hin und wieder. Gut, dachte ich mir, die alte Dame ist zickig. Auch ich bin nicht jeden Tag gleich gut drauf, so wollte ich es ihr verzeihen.

Ich zog mich an, fuhr mit dem Auto dorthin, wo ich weiß, dass Mittelformat wunderbar passt und Kodak Portra 400 die Szenerie perfekt erfassen kann, und hatte unfassbares Glück: Wunderbares Wetter und mit einer laublosen Eiche ein tolles Motiv. Dass ich dann noch die Aufmerksamkeit einer Schafherde weckte, die sich formatfüllend ins Bild drängte, konnte ich mir kaum besser wünschen. Klugerweise hatte ich die Kamera auf Manuell gestellt, denn der Belichtungsmessung und -steuerung traute ich nach den bisherigen Erlebnissen nicht.

Dass es einzigartige Bilder waren, die ich da machte, war mir klar. Da ich keine andere Kamera bei mir hatte, musste ich hoffen, dass die Bronica alles richtig machte. Die Bestätigung sollte drei Monate dauern …*

Nach dem letzten Bild des Films starb die Bronica. Nicht still und leise, sondern mit einem grauenvollen Geräusch und übel stinkend. Warum hat mich das nicht überrascht?

Empfindliche Raritäten

Ich mach’s kurz: Es gibt kaum ein der an einer Hand abzuzählenden Bronica-Fachmänner in Europa, dem ich die Kamera nicht vorgestellt hätte. Abwinken. Kopfschütteln. Gelernt habe ich in diesen Wochen, dass sich Mechanisches lässt fast immer reparieren lässt, Elektronik allerdings leider einem Alterungsprozess unterliegt, der auch mit viel Engagement kaum reversibel ist. Fehler findet man auch mit viel Erfahrung entweder zufällig oder gar nicht. Wenn man sie findet, ist die Frage, ob man sie beheben kann. Es gibt keine Ersatzteile mehr für Bronica (Die Marke wurde an Tamron verkauft und die Produktion nach einigem Ärger mit – genau: defekten Kameras – eingestellt.), so bleibt eigentlich nur ein Schlachtfest nach dem Motto: Aus zwei oder drei mach eins. Das aber war mir schlicht zu teuer.

Was bleibt, ist ein Negativstreifen. Er zeigt, was dieses einstige Wunderwerk an Kameratechnik zu leisten in der Lage wäre, wenn es denn funktionieren würde. (Der Klick auf die Bilder vergrößert.) Wieder einmal bestätigt sich, dass technische Geräte genutzt werden müssen, um längerfristig Freude zu machen – und dass alte Elektronik den Teufel in sich trägt. Also Finger weg. Ich hatte Glück, denn ich habe kein Geld bezahlt und verloren. Danke dafür an Meg!


*Sie fragen sich, warum es drei Monate dauerte, bis ich endlich die Negative in den Händen hielt? Nun, diesen Teil der Geschichte hätte ein Lektor mit Sicherheit rausgeworfen, weil es sie überfrachtet und unglaubwürdig macht. Es ist einfach zu viel des Guten, vielmehr, des Schlechten.

Ich lieferte den Film unmittelbar nach dem Shooting beim Händler meines Vertrauens ab. (Schwarzweiß entwickle ich bekanntlich selbst.) und wartete. Und wartete Und wartete. Und fragte vorsichtig nach. Weihnachtsgeschäft, erhöhter Arbeitsanfall im Labor. Sonderfall 120mm-Film. Okay. Verstand ich. Es eilte ja nicht. Ich wartete also weiter. Und weiter. Und weiter.

Langweile ich Sie? Das passt. Ich langweilte mich auch. Bis Ende Februar, da reklamierte ich zum dritten Mal. Man machte sich auf die Suche und fand – nichts. Bot mir Schadensersatz an: fünf Euro. (Der Film kostet etwa acht Euro.) Ich knurrte die Dame am Telefon an, was mir natürlich nichts half. Weil ich freundlich knurrte, rief sie mich einige Minuten später zurück. Man habe meine Negative in just diesem Moment gefunden! Sie seien an eine Filiale in Bremen geschickt worden, die sie zurückgeschickt habe, worauf sie erneut rausgeschickt worden waren – irgendwohin in Brandenburg. Dort konnte man ebenso wenig damit anfangen.

Egal, sie kamen letztlich an, wo sie bereits Anfang Dezember hätten ankommen sollen. Etwas ramponiert zwar, aber das lässt sich reparieren. Im Gegensatz zur Bronica.


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