#NaTour_Urwald: Idee, Hintergrund und Vorbereitung

Dies ist der erste Beitrag, der denen vorbehalten ist, die einen Euro erübrigen konnten, um mich zu unterstützen und mir ihre Wertschätzung auszudrücken. Herzlichen Dank dafür! Sie gehören Sie zu denen, die mich ab sofort zwar virtuell, dennoch aber hautnah bei den Planungen, Vorbereitungen und letztlich natürlich auch bei meiner Reise in und durch den Bialowieza Urwald begleiten werden.

EDIT am 9.11.2019: Ich gebe diesen Beitrag für alle frei – natürlich auch in der Hoffnung, dass er jene motiviert, mich bei meinem Projekt zu unterstützen, die bis jetzt noch keinen Euro übrig hatten …

The Białowieża Forest World Heritage site, on the border between Poland and Belarus, is an immense range of primary forest including both conifers and broadleaved trees covering a total area of 141,885 hectares. Situated on the watershed of the Baltic Sea and Black Sea, this transboundary property is exceptional for the opportunities it offers for biodiversity conservation. It is home to the largest population of the property’s iconic species, the European bison.

Quelle: UNESCO

Mit diesem ersten Meilenstein beginnt ein von mir lang erwogenes – ehrlicherweise aus verschiedenen Gründen vor mir hergeschobenes – Fotoprojekt, bei dem ich die noch (!) existierenden europäischen Urwälder besuchen und fotografieren werde. Polen hatte das Roden des Urwaldes 2016 wieder erlaubt – entgegen EU-Recht! Die EU schien wenig Erfolg damit zu haben, die Rodungen aufzuhalten. (Über die Situation in Rumänien habe ich unlängst etwas geschrieben. Dort erkläre ich auch, warum ich das Ganze jetzt angehe und nicht mehr warten wollte.)

Aktivisten polnischer und internationaler Umweltverbände setzten sich ein, schlugen Camps auf, demonstrierten und verhinderten weitere Baumfällungen. (Wir kennen das hierzulande aus dem Hambacher Forst; in Polen ging es jedoch deutlich friedlicher zu, wie Aktive berichten.) Die Waldfreunde haben einen Rodungsstopp erreicht und die EU hat für jeden Tag, an dem gerodet wird, eine Geldstrafe von 100.000 Euro angedroht. Zur Einordnung: An einem Tag kann ein einziger Harvester 200 Bäume vernichten. Eine Menge Geld, doch ist es genug?

Darüber hinaus ist uns Menschen mittlerweile bewusst geworden, dass der Klimawandel erschreckend rascher vonstatten geht, als wir zu befürchten wagten. Auch ein Grund für mich, endlich loszulegen.

Auf der Suche nach unberührter Natur

Den Umfang des Vorhabens kann man vermutlich besser abschätzen, wenn man auf dem folgenden Bild den tiefgrünen Gürtel betrachtet. Das Waldgebiet, das hier zu sehen ist, besteht zum Teil aus tausende Jahre alten Urwäldern, sogenannten Primärwäldern. Ganz oben, bei der gelben Markierung, werde ich starten. Rechts der Markierung, also im Osten, befindet sich Weißrussland, das ich zwar auch gern besuchen würde. Doch dieses Wagnis – es ist eines, das steht fest – möchte ich nicht allein eingehen, dafür benötige ich einen oder mehrere Partner. Ich beherrsche zwar auch kein Polnisch, doch dort kann ich wenigstens die Buchstaben entziffern. Und die Polen sprechen zum Teil sehr gut englisch, was mir die Kommunikation mit Bewohnern und Guides sehr erleichtern wird.

Mit dem Bialowieza Urwald verbindet man den gleichnamigen Nationalpark. Dieser befindet sich in unmittelbarer Nähe der wiederum gleichnamigen Ortschaft und ist Teil des äußeren Kerns des Urwaldgebietes. Den Park werde ich natürlich auch besuchen, doch er ist nicht mein Ziel. Naturparks können noch so gut gepflegt werden, sie bleiben Parks: von Menschen für Menschen erschaffene, mit dichtem Wegenetz ausgestattete Gebiete. In Bialowieza werden leider auch Wildtiere in Gehegen gehalten, ein Umstand, den ich nicht gutheißen kann.

Strenge Regelungen für Besucher – auch für mich

Es ist traurig und zugleich in Ordnung, dass es Naturparks gibt, denn sie sorgen dafür, dass Besucher gelenkt und diszipliniert werden und die Natur in Ruhe gelassen wird. Ich mag mir nicht vorstellen, wie Mountainbiker durch den Urwald heizen, Bushcrafter ihre Lagerfeuer entzünden und verirrte Wanderer mit Hubschraubern ausgeflogen werden.

Konsequenterweise darf kein Mensch den inneren Kern des Urwaldes betreten ohne von einem ausgebildeten und zertifizierten Guide begleitet zu werden. Dennoch gibt es nur zwei Routen, eine kurze und eine lange mit gut 14 Kilometern – eine ambitionierte Tagesetappe, wenn man nicht nur wandern, sondern professionell fotografieren möchte. In die äußeren Gebiete werden größere Gruppen geführt, doch je tiefer man in den ursprünglichen Wald vordringt, desto strenger sind die Auflagen – und desto höher die Preise. Auch das ist ein Grund, warum ich meine Leser um eine kleine „Mitgift“ bitte, denn die Kosten allein für die Guides, Eintritte, Fotoerlaubnisse, MTB-Mitnahme und weitere Gebühren belaufen sich für die Dauer meines Aufenthalts auf fast 1.000 Euro. Im Übrigen darf man die Wege und Pfade nicht verlassen – mit einer kuriosen Ausnahme: zum Pilzesammeln. Ich werde also ein Beutelchen mitführen, in das ich ein, zwei Pilze lege (hoffentlich essbare), um keine Geldstrafe zu erhalten. Verrückt, aber nicht zu ändern.

Was ist eigentlich ein intakter Naturwald?

Per definitionem dasselbe wie eine intakte Landschaft ohne Bäume. Mehr noch, zu Wald gehört auch baumloses Gebiet. Weitere Informationen und Karten finden Sie hier. Erschrecken Sie bitte nicht, wenn Sie erfahren, wie wenig (halbwegs) gesunde und alte Waldlandschaften es weltweit nur noch gibt …

An Intact Forest Landscape (IFL) is a seamless mosaic of forest and naturally treeless ecosystems within the zone of current forest extent, which exhibit no remotely detected signs of human activity or habitat fragmentation and is large enough to maintain all native biological diversity, including viable populations of wide-ranging species. IFLs have high conservation value and are critical for stabilizing terrestrial carbon storage, harboring biodiversity, regulating hydrological regimes, and providing other ecosystem functions.

Quelle: Intact Forest Landscapes

Im folgenden Bild sind die wissenschaftlich dokumentierten Urwälder Europas dargestellt. Deutlich zu erkennen ist Finnlands riesiges Nadelwaldgebiet (e). Im Winter ein Traum! Leider und definitiv nicht allein machbar, wenn man überleben will … Auch in Skandinavien (a) gibt es noch Reste echter Naturwälder, die ich bald besuchen möchte, doch der für mich interessante und solo gut zu bereisende Bereich ist in (d) zu sehen. Auch (b) zieht mich an, steht aber noch nicht ganz oben auf meiner Liste.

Lassen Sie bitte diese Zahlen aus der Studie sacken, aus der auch die Grafik oben stammt. Machen Sie sich bewusst, wie nachhaltig wir diese Erde allein durch das Abholzen von Wäldern geschädigt haben:

Known primary forests covered 1.4 Mha in 32 countries (0.7% of Europe’s forest area). Most of these forests were protected (89%), but only 46% of them strictly. 

Quelle: Wiley Online Library

(„Protected“ bedeutet im Übrigen gar nichts. Auch die Wälder in den Karpaten sind geschützt, teilweise sogar „strictly“ …)

Alle anderen Wälder sind so klein, dass sie nur geringen Aufwand bedürfen, sie zu besuchen und zu fotografieren. Einigen Regionen habe ich bereits für mein Fotobuch besucht. In Deutschland kann ich den Hainich Nationalpark in Thüringen empfehlen; dort findet übrigens vom 1.-3- November 2019 mein Fotoworkshop statt. Auch eine Reise wert ist der Jasmund Nationalpark auf Rügen – allerdings frühestens ab Mitte Oktober, wenn die Buchen bunt und die Besuchermassen weg sind. In Österreich kann ich die Bergwälder in den Kalkalpen empfehlen. Natürlich ist der Große Ahornboden im Karwendel im Herbst ein spektakuläres Ziel für Freunde bunter Blätter, dass man allein dort ist, sollte man in einem so leicht zugänglichen Gebiet der Alpen nicht erwarten.

Wie bereite ich mich auf den Urwald vor?

Es gibt mehrere Arten der Vorbereitung. Nicht alle beschäftigen mich. Fotografisch muss ich mir wenig Gedanken machen, denn das, was ich plane, ist technisch nicht anspruchsvoller als beispielsweise mein mehrtägiges Fotoprojekt im Herbst 2018 im Hainich Nationalpark in Thüringen. (Übrigens sind noch Workshop-Plätze frei!) Ich werde zeitnah zu meiner Abreise einen Beitrag dazu verfassen, was ich alles bei mir habe, wenn ich größere Projekte fotografiere und was letztlich je Tourtag in meinem Rucksack landet.

Fitness, die lange Wanderungen in teilweise weglosem Gelände mit schwerem Rucksack (Fotoequipment, Verpflegung und Outdoorausrüstung) ohne jeden Zweifel voraussetzt, habe ich. Also auch kein Thema.

Bekleidung hingegen ist ein Thema, denn in Nordostpolen ist es Anfang/Mitte November tendenziell ungemütlich. Was ich als Fotografin liebe, schätze ich als Mensch, nicht wirklich: kalten, dicken Nebel. Also wird das Zwiebelprinzip zur Anwendung kommen. Hochwertige und bewährte Outdoorbekleidung ist für sich in der Natur Bewegende ohnehin unabdingbar. Stabil und wasserfest, warum und trotzdem leicht muss es sein. Und perfekt passende Schuhe, nein: die Knöchel stützende Stiefel! Da habe ich leider vergangenes Jahr im Jasmund Nationalpark schmerzhaft Lehrgeld bezahlt …

Survivalausrüstung sollte man auch nicht vergessen, wenn man abseits der Zivilisation unterwegs ist. Vom Erste-Hilfe-Set mit zwei, drei Rettungsdecken sowie gegebenenfalls Biwaksack über ausreichend Verpflegung bis hin zum Feuerstahl, Outdoormesser und Signalgebern ist mitzuführen, was eben nötig werden könnte. Bin ich mit Guide auf Tour, sorgt in der Regel dieser für das Überlebensnotwendige; streife ich allein umher, muss ich für mich selbst sorgen. Kompass und Karte(n) – auch auf dem Smartphone zur GPS-basierten Offlinenutzung – sind selbstverständlich immer dabei.

(Sie stutzen beim Feueranzünder, gell? Ganz ehrlich, sollte ich mich wirklich irgendwann mal verlaufen und die Nacht im Wald verbringen müssen, werde ich mir, bevor ich erfriere, ein Feuer machen. Es müssen keine Minusgrade sein, um an Unterkühlung zu sterben!)

Outdoor-Fähigkeiten und -Fertigkeiten sollten in ausreichender Ausprägung vorhanden sein, bevor man sich allein in die Wildnis wagt. Selbst der größere Wald bei mir „um die Ecke“ kann gefährlich werden, wenn man sich nicht darin zu bewegen und orientieren weiß.

Vor ein paar Jahren habe ich eine Bekannte, die glücklicherweise Mobilfunknetz hatte, telefonisch dort herausgelotst. Sie war in Gedanken versunken und unkonzentriert einfach „der Nase nach“ gelaufen und ein paar Mal abgebogen, bis es dunkel wurde. Und im Wald wird es rasch dunkel! Zu diesem Zeitpunkt hatte sie überhaupt keine Orientierung mehr und war rund vier Kilometer tief im Wald. Keine gute Idee im Winter. Ihr Hund, ein Retriever, war ihr keine Hilfe; verlassen sollte man sich auf die vermeintlich „gute Nase“ seines Vierbeiners also nicht.

Dieses Thema wird demnächst einen eigenen Beitrag füllen, in dem ich ein paar Bushcraft-Tipps gebe und meine eigenen Outdoor-Erfahrungen teile. (Ich arbeite bereits daran.)

Ortskenntnis gehört eigentlich an den Anfang dieser Liste. Ich informiere mich stets gründlich über das Gebiet, das ich besuchen und fotografieren möchte. Für das Projekt in Polen nehme ich derzeit Kontakt mit Einheimischen, Guides, Aktivisten, Kollegen und natürlich mit den Natur- und Umweltschutzorganisationen auf, bei denen ich Mitglied bin. Wenn ich Glück habe, erhalte ich die eine oder andere Unterstützung kostenlos … (Fotografieren im Nationalpark kostet übrigens ein erkleckliches Sümmchen extra! Aber ich bezahle gern, wenn das Geld der Natur zugute kommt.)


Möchten Sie meine Arbeit finanziell unterstützen? Etwa einen Guide bezahlen? Meinem Auto ein paar Liter Sprit spendieren? Die Kosten für die täglich zu bezahlenden Foto-Permits übernehmen? Jeder Euro wird ausschließlich in #NaTour_Urwald investiert!


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