Ich leide!

Je älter ich werde und je mehr (Arbeits-) Zeit ich mir schenke, mich in diesem „Draußen“ umzuschauen und es zu fotografieren und zu dokumentieren, desto kränker werde ich. Ich kann einfach nicht begreifen, was ich da erlebe! Es erschüttert mich zutiefst, wenn ich sehe, wie viele Menschen Pflanzen ausreißen, Äste abbrechen, junge Bäume niedertrampeln und ihren Müll in die Natur werfen. Ich finde Flaschen und Dosen, Plastikverpackungen und Papier fast überall, zumindest aber dort, wo Wege nicht weit sind. Das bedeutet, dass Menschen zwar die Natur als Erholungsraum suchen und nutzen, aber ihn gleichzeitig verunreinigen und zerstören.

Diese Flaschen dürften Waldarbeiter hinterlassen haben.

Ich bin eine Fotografin, die das Schöne, das Gute zeigen will. Anzuprangern ist nicht mein Stil, ich bin keine „Motze“. Sich an Bäume zu ketten mag ein geeignetes und legitimes Mittel zur Erlangung von Aufmerksamkeit sein, meines ist es jedoch nicht. Meine Überzeugung ist, dass eine Beeinflussung nur auf positivem und sanftem Wege möglich ist, denn ständig Finger in Wunden zu legen, lässt Menschen abstumpfen und sich abwenden.

Also fotografiere ich Naturidylle. Konkreter: die so existenziellen wie meist übersehenen Details innerhalb dieser Natur. Die Hoffnung, die ich damit verknüpfe, ist nicht weniger als eine Bewusstseinsänderung in den Menschen, die mir beispielsweise auf Twitter folgen, die mein Fotobuch über den Wald erwerben, Bilder von mir an ihre Wände hängen oder mir auch dann noch zuhören, wenn ich das -zigste Mal erkläre, warum der Schwarzwald de facto kein Wald ist.

Diese Dose wird auch in tausend Jahren nicht verrotten.

Es ist geradezu lächerlich, auf alle Fälle aber anmaßend, wenn ich kleines Lichtchen den Anspruch äußere, etwas bewirken zu wollen. Aber warum eigentlich? Kann nicht jeder Einzelne etwas tun? Mein eigenes Umfeld stöhnt zwar immer gequält auf, wenn ich im Zusammenhang mit Natur nur den Mund öffne, aber nur deshalb, weil jeder mittlerweile weiß, dass man keine Pilze zertreten darf, nur weil sie für uns Menschen ungenießbar sind. Oder dass „Unordnung“ im Wald der Idealzustand ist.

Auch den Unterschied zwischen Wald und Forst kennt jeder, der mit mir zu tun hat. (Der Schwarzwald ist ein Forst.) Und dass Rasen keine Wiese ist und Wiese noch nicht zwangsläufig lebendige Natur, ist auch jedem in meinem Dunstkreis bewusst. (Auf dem Grünstreifen vor meinem Grundstück traut sich inzwischen niemand mehr zu parken, weil ich stocksauer werde, wenn jemand mutwillig Pflanzen zerstört, um seinen BMW „sicher“ zu parken – auf einer wenig befahrenen Dorfstraße!)

Fast könnte man es als Kunst verkaufen …

Nein, ich werde keine Bilder mit Müll zeigen, nur um Menschen zu sensibilisieren. Wie gesagt, glaube ich nicht, dass das wirkt. Ich plane Reisen nach Ostpolen und in die Karpaten, um die dort noch vorhandenen Reste der einst gigantischen europäischen Urwälder zu fotografieren – wissend, dass sie zerstört werden. Täglich werden dort in den gesetzlich streng geschützten Gebieten, wo unser Klima „verwaltet“ wird, tausende alte Laubbäume abgeholzt.

(Kennt man die Lebensbedingungen Einheimischen, kann man verstehen, dass diese einfach nur ihren Lebensunterhalt verdienen müssen, egal wie. Sie wissen, dass sie illegal handeln und ein wertvolles Ökosystem zerstören, doch was sollen sie tun? Wovon sollen sie Brot kaufen? Das Problem entsteht nicht in den Dörfern vor Ort, sondern aufgrund mafiöser Strukturen, durch Korruption und weil es Abnehmer für dieses Holz gibt.)

Ich könnte mich den Aktivisten in Polen, Rumänien und Bulgarien anschließen, mich auf die Lauer legen und diese Verbrechen dokumentieren. Ich will es aber nicht. Es gibt diese Bilder bereits, als Fotos und als Filme. Sie laufen bei Arte und bei 3sat, nützen nur nichts. Genauso wie es nichts bringt, Tierquälerei anzuprangern. Man sieht es, hört es, liest es – und vergisst es.

Im Sinn bleiben Bilder von sauberen Kühen mit knuffigen Kälbern auf saftigen Weiden vor malerischen Bergen. Ich weiß nicht, warum es so ist, dass wir Menschen vor dem Schrecklichen die Augen verschließen und uns dem Schönen zuwenden, vermutlich ist es Selbstschutz. Aber ich weiß, dass man das nutzen kann – nutzen muss!

Deshalb zeige ich Bilder, bei denen sich Betrachter wünschen sollen, selbst vor Ort zu sein und das gesehen, gehört, gerochen, gefühlt zu haben, was ich erlebe, wenn ich „dort draußen“ bin. Ich glaube daran, dass es etwas bringt. Ich glaube, dass auch Sie eines Tages eine Distel wertschätzen. (Und nie wieder auf dem Grünstreifen parken statt auf der Straße.)

Hinweis: Die drei Fotos oben stammen von Teilnehmern meiner Coachings bzw. Workshops. Das untere ist eines meiner eigenen Bilder und zeigt den Buchenwald im Jasmund Nationalpark auf Rügen im November. Es kann als limitierte Edition auf Leinwand oder Alu Dibond erworben werden.


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