Ich fotografiere Bäume

Soweit, so bekannt. Doch stimmt das? Und wie kam ich überhaupt dazu, mich innerhalb eines eh schon begrenzten Genres noch stärker einzuschränken? Und erneut die Frage: Ist das so?

Ich werde häufig gefragt, wie man seine Nische und seinen Stil findet. Dazu muss ich umgehend bemerken, dass die Nische und der Stil zwei verschiedene Dinge sind. Die Nische ist in meinem Fall

  • Landschaft
  • Natur
  • Wald
  • Bäume

wobei ich keine Landschaftsfotografin bin, sondern das nur die oberste Bezeichnung dessen ist, was ich tue. Darunter, also enger eingegrenzt, ist die Natur. Klingt sonderbar? Keineswegs. Landschaften können nämlich auch Städte sein. Mexico City, um nur ein Beispiel zu nennen, von oben betrachtet, ist eine Landschaft, bei der Häuser statt Bäume und Straßen statt Flüsse im Vordergrund stehen.

Um bei diesem Bild zu bleiben: Architekturfotografie wäre dann meine Baumfotografie. Die meisten Architekturfotografen sind an Stadtlandschaftsfotografie ebenso wenig interessiert wie ich daran, Bergpanoramen zu fotografieren. Man tut es, vielleicht sogar öfter mal, aber es ist nicht der eigene Schwerpunkt.

Wie findet man seine Nische?

Dieser Schwerpunkt also ist die Nische. Man findet sie, entweder weil man sich dafür interessiert, oder sie findet einen, weil … nun ja: Karma, Aufträge, was auch immer das Leben so an Wegen vorsieht. Ist man leidenschaftlicher Sportler, liegt es nahe, Sport zu fotografieren. Mag man das Meer, wird man sich darauf konzentrieren. Tiere, Menschen, Autos, Technik, Architektur … es gibt so viele Nischen!

Hängt man als Fotograf, der seine Nische gefunden hat, nur in dieser Nische herum? Keineswegs! Ich kenne kein einziges Beispiel, allein deshalb, weil es keinen Sinn macht. Man sieht immer etwas, das einen anspricht. In meinem Fall kann das sehr klar strukturierte Architektur sein, die mich aufgrund ihrer Linien fasziniert. Dieses Foto habe ich nachts mit dem iPhone und Hipstamatic ohne weitere Nachbearbeitung gemacht:

Die Fußgängerbrücke im Hafen von Sassnitz auf Rügen.

Abgesehen davon, wie unfassbar gut das iPhone bei Dunkelheit aufgelöst und wie sauber die Strukturen gezeichnet sind, musste ich dieses Foto einfach machen (und noch einige mehr an diesem Abend). Es entspricht absolut nicht meinem Genre und schon gar nicht meiner Nische, aber ich mag das Bild sehr.

Vielleicht ist es gerade das Diametral zu meiner eigenen Fotografie, das mich da anzieht. In Hamburg gibt es ein Hochhaus namens „Tanzende Türme„, die ich unbedingt eines Tages nachts mit der Nikon D750 und meinem Sigma Art fotografieren möchte. Mit dem Smartphone habe ich es schon versucht, aber mit dem Streulicht der Großstadt war das iPhone dann doch überfordert.

Nicht alles, was man gern fotografiert, wird wirklich gut

Architekturfotografie wird sicher niemals mein Genre werden, dennoch kann ich viel lernen, indem ich mich daran versuche. Auch Porträts von Menschen und Tieren habe ich schon gemacht, wenngleich meine Ausbeute nicht besonders hoch war. Sport liegt mir persönlich, doch ihn zu fotografieren wird immer nur Spaß bleiben. Auch hier gilt, dass ich viel lerne dabei, aber Action gehört nicht zu meinen wirklichen Interessen. Da fehlt mir einfach das tiefe Gefühl dafür wie ich es für die Natur und da für Details habe. (Ich schrieb unlängst etwas über Gefühle und Bilder, schauen Sie doch einfach mal rein.)

Wirklich gut werden Fotos, wenn man sich in der Materie auskennt, wenn man Motive nicht nur sieht, sondern auch spürt. Man kann es als Betrachter sehen, achten Sie mal darauf! Versuchen Sie mal zu erkennen, ob der Fotograf sein Motiv „liebt“ oder ob er es nur fotografiert, weil er es technisch kann.

Stil ist eine Frage des Charakters

Stil entwickelt sich. Man kann ihn versuchen zu kopieren, doch es wird dann der Stil eines anderen Menschen sein. Wenn das nun allgemein klingt, ist das gewollt. Sei es Kleidung, sei es Sprechweise, sei es Verhalten – alles lässt sich bis zu einem gewissen Grad nachahmen. Auch bei Fotos geht das sehr gut und wird auch häufig gemacht.

Bei Youtube gibt es unzählige Tutorials, wie man den Entwicklungsstil bekannter Fotografen lernen und nachbilden kann. Wenn man das tut, um daraus zu lernen, ist es in Ordnung und durchaus empfehlenswert. Dann wird der Tag kommen, an dem man genug kopiert hat und seinen eigenen Stil sucht oder gefunden hat. Das geht nicht von heute auf morgen, das braucht Zeit. Tut man es, um sich im Sog des Erfolgs anderer hochzuziehen (Instagram!), finde ich es peinlich und – genau: stillos.

Stil bleibt auch nicht auf Dauer derselbe, er unterliegt emotionalen Schwankungen und langfristigen Änderungen wie es eben so ist bei uns Menschen. Wird beim Betrachten eines Bildes direkt an einen bestimmten Fotografen gedacht, ist das ein Adelsschlag. Als mir unabhängig voneinander mehrere Menschen sagten, dass ich einen ganz speziellen Stil hätte, egal, was ich fotografieren würde, war das für mich der Tag, ab dem ich mich Fotografin nannte.


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