Hobbyfotograf oder Berufsfotograf?

Vor einiger Zeit wurde ich gefragt, wo ich die Grenze zwischen Berufsfotografen und Hobbyfotografen ziehen würde. Klarer Fall: Der Berufsfotograf bekommt Geld für seine Bilder. Wobei … nein, das passt nicht richtig, denn auch Hobbyfotografen können ihre Fotos bei Stockfotoanbietern einstellen und monetarisieren. Mehr noch, die meisten Bilder, die man online erwerben kann, wurden von nicht gewerblich tätigen Fotografen gemacht.

Am Geld allein kann man den Unterschied also nicht festmachen. An der Qualität des Bildmaterials? (Ich wünschte, Sie könnten mich jetzt laut lachen sehen und hören.) Nein. Ohne jeden Zweifel machen sogenannte Profis nicht zwangsläufig besseren Bilder als sogenannte Laien. Ich sehe oft Fotos in Zeitungen und Zeitschriften, bei denen sich mir die Nackenhaare aufstellen, so viele Fehler und Schwächen sind da zu erkennen. Paradebeispiele für meine Coachings, um zu zeigen, dass da jemand keine Ahnung hat von Bildaufbau, Brennweite, Zeit, Blende, ISO und was auch immer es da noch so alles zu wissen gibt. Ich behaupte, dass da das billigste (a.k.a. kostenlose) Bild verwendet wurde, eines, das der (beispielsweise) Reiseredakteur bei seiner Wanderung an der Mosel oder beim Tauchurlaub auf Bali selbst gemacht hat.

Fotografie ist Handwerk (und selten Kunst)

Und schon werden die ersten Kommentare kommen: „Kunst liegt im Auge des Betrachters!“ Da halte ich gern mal gegen: „Kunst kommt von Können.“ Beides ist Quatsch. Beides gehört auf den großen Haufen mit all den anderen Klugscheißereien, Plattitüden und Ausreden. Ein Foto ist nicht zwangsläufig Kunst, sondern fast immer Handwerk. Was halten Sie von einem wackeligen Stuhl, was von einer nicht schließenden Schranktür, was von einem nicht passenden Fensterrahmen? Wenig, stimmt’s? Und dann kommt der Schreiner und erzählt ihnen, das sei eben Kunst. Aha, sagen Sie und zerreißen die Rechnung.

An jedem Bild, das von Fachleuten als Kunst identifiziert und gewertet wird, kann man die seit jeher geltenden Regeln erkennen. Proportionen, Linien, Schnitte, Blickführung und so weiter finden sich auch bei abstrakter Malerei, die ganz gern als Gepansche bezeichnet wird, das kleine Kinder und Schimpansen auch nicht schlechter hinbekommen. Das gilt übrigens auch für Musik. Was ich meinen Gitarre so an Tönen entlocke, hat weniger mit Kunst zu tun als mehr mit Unvermögen und mit Quälerei meiner Nachbarn. Diese Erkenntnis wiederum hat mit Realismus zu tun.

Qualität ist‘s also auch nicht, was ich als entscheidend bezeichnen würde. Was denn dann? Nehmen wir noch einmal meine musikalischen Ambitionen. Ich lümmle auf dem Sofa, mein Blick fällt auf meine Gitarren; ich greife zu einer davon und schrammle ein wenig herum. Vielleicht suche mich nach einem Song, den ich spielen möchte oder nach einem Lehrvideo. Habe ich keine Lust mehr, kommt die Klampfe zurück in den Ständer und ich habe fertig.

Zeitvertreib oder Business?

Wie sieht das bei mir aus, wenn es um‘s Fotografieren geht? Ich laufe nicht einfach mal so mit der Kamera los und schaue, was mir in die Quere kommt oder vor die Linse hüpft. Aus Langeweile schon gar nicht. Ich fotografiere nicht wahllos. Nicht den Hund der Nachbarin und schon gar nicht die Nachbarin. Auch nicht das coole Auto vom Spezl, nicht den Sonnenuntergang mit Bergpanorama im Allgäu. Und mich schon gar nicht. Never ever. (Meine Tiere schon, aber das ist etwas anderes. Dafür nehme ich stets mein iPhone, was für mich fast per definitionem schon für einen Schnappschuss spricht.)

Warum also packe ich meinen Rucksack und stiefle oder fahre los? Ich habe einen Auftrag, ein eigenes Projekt oder ein ganz bestimmtes Foto im Sinn. Es geht stets um ein Buch, um ein Magazin, um eine Reportage, um eine Webseite, um einen Kalender, um ein Wandbild. Und ja, manchmal geht es auch um Kunst. Das ist dann nicht mehr die Pflicht, sondern die Kür. Eine sehr anstrengende Kür übrigens. Nicht grundlos ist Kunst teuer.

Das Ziel bestimmt den Weg

Ich fotografiere also nicht aus reiner Freude am Tun, sondern fokussiert mit einem konkreten Ziel. Das bedeutet nicht, dass keine Freude am Tun habe! Und es bedeutet auch nicht, dass ich nicht oft genug mit der Kamera (für Außenstehende ziellos wirkend) durch ein Revier streune. Meine Motive wollen entdeckt, gefunden, immer wieder besucht werden. Sie kündigen sich nicht an, vereinbaren keine Termine und sind auch nicht jederzeit fotogen. (Eigentlich sind sie es selten, deshalb bin ich ja so oft auf Recherche unterwegs oder komme ohne „Beute“ zurück. Das ist aber ein anderes Thema. Auch da bin ich aber mit einem Ziel in den Wald gefahren: Ich brauche dieses und jenes Bild. Und noch ein Einschub: Ich fotografiere auch und durchaus sehr gern Stillleben im Studio oder Technisches bei Kunden. Nur niemals Menschen.)

Der Hobbyfotograf geht fotografieren.
Der Berufsfotograf macht das Bild.

Das ist meine Antwort auf die Frage. Will sagen: Der Schreiner sägt nicht einfach mal spaßhalber an einem Brett herum, ganz nach dem Motto: „Mal sehen, was dabei rauskommt!“. Die Juristin verfasst nicht aus reiner Lust am Schreiben eine Klage. Büroangestellte leeren keine Ordner, nur um alle Rechnungen wieder neu sortieren und ablegen zu können. Alle haben einen klaren Fokus. Genau wie der Berufsfotograf.


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