Genres und Seitenblicke

Vor einer Weile habe ich einen Beitrag darüber geschrieben, wie wenig ich eigentlich als Fotografin kann. Heute folgt Teil 2 dieser Selbstkritik. Was ich nämlich nicht wirklich drauf habe, aber gern drauf hätte, ist Straßenfotografie. Wenn ich durch Instagram scrolle, stoße ich auf Bilder, die mich begeistern: minimalistisch, stark beschnitten, auf schwarz-weiß beschränkt, wirkend allein aufgrund der Kontraste durch harte Lichtverhältnisse und durch den Moment, der hier eingefangen wird. Die nackte Wahrheit, warum ich in diesem Genre nicht aktiv bin (oder nur sehr selten): Mir fehlen die Locations für interessante Szenen, weil ich ein Landei bin. Aber es gibt noch weitere Gründe.

Bis auf wenige Ausnahmen handelt es sich bei Street leider um brotlose Kunst, insbesondere seitdem wir (deutschen, aber auch europäischen) Fotografen höllisch aufpassen müssen, keine Persönlichkeitsrechte zu verletzen. Rechtlich stark verkürzt bedeutet das: keine Gesichter, keine Marken, keine Autokennzeichen, keine Häuser oder Läden, keine … Also eigentlich gar nichts. Dass man als Fotograf eine vorgefertigte Einverständniserklärung in der Tasche hat, die einem dann willig unterschrieben wird, ist so weit an der Realität vorbei, dass Streeter darüber erst gar nicht nachdenken und ihre Fotos eben halblegal bei im Internet posten statt sie Agenturen anzubieten.

Frühmorgens im Februar in einer der verstecken Gassen Venedigs. Dieses Foto würde schwarz-weiß nicht wirken. Die Pointe entsteht nur durch die Farben.

Die unklaren bis stark reglementierenden Regelungen haben kulturelle Folgen, denn die Dokumentation des ganz normalen Lebens geht zunehmend verloren. Das hat Auswirkungen, die spätere Generationen „büßen“ müssen, denn professionelle Bilder wird man kaum noch sehen und Instagram ist sicher keine Plattform für die Ewigkeit. Ich will mir nicht vorstellen, dass wir irgendwann nur noch Hashtags durchklicken statt in hochwertig ausgestatteten Bildbänden zu blättern.

Streetfotografie in Venedig – ein Herzensprojekt

Nicht nur weil er wunderbare Bilder macht, bin ich ein Fan von Sean Tucker (Youtube | Webseite) | Instagram). Mir gefällt auch seine ruhige, reflektierte Art über Fotografie nachzudenken. Und er ist so weit von meiner fotografischen Nische entfernt unterwegs, dass er mich immer wieder inspiriert, über meinen eigenen Tellerrand, die Waldfotografie, hinauszuschauen. So fuhr ich vor zweieinhalb Jahren nach Venedig, um weit außerhalb der Touristensaison dem nachzuspüren, was diese Stadt ausmacht. Ich fand es frühmorgens zwischen sechs und acht Uhr …

Als „echter“ Fotograf sollte man sich spezialisieren, wenn man wahrgenommen werden will. Doch nichts hält uns davon ab, immer wieder Neues zu probieren und daraus neue Kreativität zu schöpfen. Als Schriftsteller nennt man es Fingerübungen, Fotografen geht es darum, das Sehen zu trainieren. Denn das ist einem nicht in die Wiege gelegt, das muss man lernen – kann man lernen. Zum Beispiel, indem man Fotobücher betrachtet …


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