Back to my roots

Ja, ich bin so alt, dass ich analoge Fotografie noch kenne. Ich bin sogar so alt, dass digitale Fotografie noch lange Zeit unvorstellbar war. Ach, es war eine schöne Zeit … (Lassen Sie mich bitte ein bisschen in Nostalgie schwelgen.) Okay, ganz so schön war sie dann doch nicht, denn Filme kosteten nicht gerade wenig Geld, gute Filme mehr Geld und spezielle oder sehr empfindliche Filme (hohe ISO) richtig viel Geld. Dann musste man sein belichtetes Material entwickeln lassen. Da ich schon immer Wert auf Perfektion legte, brachte ich meine Filme natürlich ins Labor. Damals gab es sie noch in jedem Ort und darin standen hoch kompetente Menschen, sprachen mit dem Fotografen über dessen Wünsche und seine Art der Fotografie und bearbeiteten sein Material dann in entsprechender Art und Weise. (Ich schwelge erneut.)

Musste man sparen, marschierte man ein paar Tage später erneut ins Labor und schaute sich die Negative an, um zu entscheiden, von welchem man einen Abzug bestellte. Lachen Sie nicht, für mich arme Studentin war diese Entscheidung eine für ein Bild und gegen ein Butterbrot! Hatte man seine Wahl getroffen, wurde ein Abzug hergestellt. Von Hand natürlich. Wiederum auf Wunsch wurden dabei Bearbeitungen wie Zuschnitte vorgenommen, aber auch Belichtungskorrekturen vorgenommen, abgewedelt und nachbelichtet und störende Elemente entfernt. Das Resultat war das, was man heute Fineart nennt. (Auch damals gab es das, was heute Handyfotos sind, nur eben auf Film. Die Qualitäten waren ähnlich – je nach Fotograf und Ausgangsmaterial von bescheiden bis recht passabel.)

Mit der Digitalfotografie wurde alles besser. Und langweiliger.

Ich habe mich lange gesträubt dagegen, meine beiden analogen Nikons gegen digitale einzutauschen. Irgendwann, ich glaube, es war 2015, habe ich sie endgültig verkauft, ich Depp. Allerdings muss ich gestehen, dass ich zu diesem Zeitpunkt schon Jahre nicht mehr fotografiert hatte. Wobei, das stimmt nicht ganz. Ich hatte mich mich zwar digitaler Spiegelreflexkameras verweigert, nicht aber der iPhoneography, die ich ab dem ersten Modell intensiv betrieb. (Allerdings begnügte ich mich schon damals nicht mit dem, was das iPhone ausspuckte, sondern bearbeitete meine Fotos schon immer mehr oder weniger intensiv nach.) Mit dem Handy dokumentierte ich meine Outdoorabenteuer und Reisen für Sonsoren und Interessenten auf durchaus professionellem Niveau. Und weil ich erlebte, dass es funktioniert, wenn man es richtig macht, wurde ich auch ein entschiedener Befürworter und sogar Fan der Smartphone-Fotografie. Gegenargumente lasse ich gelten, doch … ach, lesen Sie selbst!

Der Amateur sorgt sich um die richtige Ausrüstung, der Profi sorgt sich um das Geld und der Meister sorgt sich um das Licht.

Vernon Trent

Sie ahnen es, als ich meine analogen Kameras schließlich verkaufte, besaß ich bereits digitale und war restlos überzeugt davon. Alles war plötzlich einfacher, schneller, sauberer, schärfer … – und banaler. Die Kamera ist ein Computer, der Fehler verzeiht, ausbügelt oder sogar erst gar keine zulässt. Will man bewusst „Fehler“ machen (Ich belichte bekanntlich meistens zwei Blenden unter.), muss man dem System erst einmal vermitteln, dass man weiß, was man tut.

Natürlich kann man digitale Fotografie vollständig manuell wie analoge betreiben, aber warum sollte man das tun? Warum die Vorteile einer Blendenvorwahl, einer ISO-Anpassung oder eines punktgenauen Autofokus ignorieren? Ich meine, wenn ich ein Auto mit Automatikgetriebe fahre, schalte ich doch auch nicht von Hand?! Ich denke, es war mein Schritt Richtung Digitalisierung, der mir fotografisch (endlich!) das ermöglichte, was vorher schwierig bis unmöglich war. Und letztlich war es auch das, was mich bewog, mein Hobby zum Beruf zu machen. Und doch …

Analoge Fotografie ist immer auch ZEN

Immer wieder fahre ich bei meinen MTB-Touren an verfallenen Bauernhöfen und Schuppen vorbei, vor denen vergessene landwirtschaftliche Geräte und manchmal sogar Traktoren aus Vorkriegszeiten stehen. Ein Muss, sie zu fotografieren! Das habe ich auch getan, mehrfach sogar – und alle Fotos gelöscht. Wenn das Fotografieren selbst schon kein Gefühl in mir auslöst, wie soll das dann ein Bild schaffen? Digitale Fotografie ist immer genau das: digital. Von der Erstellung des Bildes bis zu dessen Fertigstellung läuft alles nach einem Schema, das auf Korrektheit ausgelegt ist. Diese Perfektion schätze ich auf der einen Seite, auf der anderen … nun ja, lieben kann man Perfektion nicht. Aber vielleicht empfinden Sie ja anders.

Viele Bilder wirken nur deshalb, weil sie eben nicht perfekt sind. Und damit meine ich keinesfalls schiefe Horizonte, fehlende Motive, falsche Belichtungen, undurchdachte Kompositionen und schlechte Perspektiven. Was ich meine ist beispielsweise diese Unschärfe, bei der das Fokussierte dennoch scharf ist. Nur eben … anders. Ich meine Korn, aber nicht Bildrauschen durch zu hohe ISO-Zahlen, die der digitale Sensor nicht verarbeiten kann. Na, Sie wissen sicher, was ich meine, wenn Sie alte Bilder anschauen. Sie haben das gewisse Extra, das digitale Bilder einfach nicht haben.

Mit dieser Ambivalenz stehe ich nicht allein, sie wird deutlich, wenn man den Aufstieg von Instagram betrachtet. Was war dessen Erfolgsrezept? Filter. Vintage-Look. Ein Hinzufügen von Fehlern, Mängeln, Unzulänglichkeiten. Das wurde nötig, weil die Handys, mit denen zu Beginn ja Instagram bestückt werden musste, zu perfekte Fotos machten. Im Schlepptau von Instagram folgten viele andere Apps, die quasi aus gut schlecht machen und daraus ein lukratives Geschäftsmodell entwickelten. Zwei der bekanntesten sind Hipstamatic und VSCO. Man kann viel Geld ausgeben, um mit ihnen ein gutes Foto vermeintlich besser zu machen. Und dieses Bessere wird erreicht durch – genau: analogen Look.

Moderne Kameras machen auf Oldies

Nicht nur auf unseren Smartphones zog das Analoge ein. Auch die Kamerahersteller sind auf den Zug aufgesprungen und bieten vorgefertigte Profile an, die verschiedene Filme simulieren. Einer der beliebtesten hat es denn auch geschafft, sich so verewigen zu lassen: Kodak Ektracrome. Kodak hätte mit der Einstellung der Produktion vielleicht noch ein bisschen warten sollen, denn analoge Fotografie ist seit Jahren wieder beliebt – Tendenz stark zunehmend!

Seit ein paar Tagen bin ich stolze (!) Besitzerin einer Voigtländer Bessamatic Deluxe aus dem Jahr 1964. Ich bin zwei Jahre jünger und wäre froh, wäre ich in einem solch guten Zustand wie das wunderschöne Stück Kamerageschichte, das ich nun mein eigen nennen darf- nein, mit dem ich fotografieren darf! Sie wird definitiv nicht in der Vitrine verstauben, denn mechanische Kameras mögen das Nichtstun überhaupt nicht. Sobald ich die ersten brauchbaren Bilder damit gemacht habe – es gehört Zeit und Muße dazu -, werde ich sie hier teilen. Filme habe ich bereits bestellt. Auch hier werde ich experimentieren und meine Erfahrungen gern teilen. Dieses Blog wird also um eine Rubrik erweitert.

Trend oder Rückkehr zu alten Werten?

Schließe ich mich also nun dem Trend an? Irgendwie schon und doch auch nicht. Für mich ist, im Gegensatz zu den meisten jungen Fotografen, analoge Fotografie nichts Neues. Ich begeistere mich nicht dafür, weil es hip ist, sondern weil ich mittlerweile als Fotografin genau weiß, was ich tue und womit. Ich möchte und werde keine Apps oder Presets nutzen oder in Photoshop so lange Regler hin- und herschieben, bis ich der Meinung bin, dass mein Bild analog aussieht. (Tut es eh nicht.) Es geht mir um mehr: um das Nachdenken, das Visualisieren, das Antizipieren, das Gestalten. Und um die Haptik. Wenn Sie man die Gelegenheit haben, eine so alte Kamera in die Hand zu nehmen, tun Sie’s!

Und wenn Sie jetzt noch ein paar Minuten erübrigen können, schauen Sie doch mal hier vorbei und überlegen Sie, ob die Unterstützung meines Projekts #NaTour_Urwald Ihnen einen Euro wert ist.


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